Narrenwinter
näher. „Störe ich?“
Sabine erschrak kurz, tippte dann aber lässig gegen die Hutkrempe. „Hallo, Daniel! Lustige Nacht gehabt, wie? Setz dich doch zu uns.“ Sie hob ihr Glas und trank einen kleinen Schluck. „Der Hubert hat sich ganz lieb bei mir entschuldigt, fast wortreich für seine Verhältnisse. Und das feiern wir jetzt mit einer Art Strip-Poker. Du kannst beruhigt sein, Daniel. Wie du siehst, bin ich am Gewinnen.“
„So, bist du?“ Käfer lächelte frostig. „Ich geh jetzt ins Bett. Und du kommst mit.“
„Warum? Ich bin ausgeschlafen!“
„Sicherheitsverwahrung.“
19
„Eifersüchtig, Daniel?“
„Nein. Aber einem Hubert, dem die Frau abhanden gekommen ist und der sich vermutlich wacker bis zum Morgen durchgetrunken hat, trau ich nicht über den Weg. So freundlich kann der gar nicht tun.“
„Und was sagt der große Menschenkenner zu sich selbst und seinen nächtlichen Eskapaden?“
„Ich bin mit Eustach Schiller ins Bett gegangen.“
„Wie bitte?“
Käfer berichtete. Noch während er sprach, hatte Sabine damit begonnen, sein Hemd aufzuknöpfen. „Du Armer, Lieber! Musst ja fix und fertig sein. Frühstück?“
„Ich weiß was Besseres. Du weckst mich gegen zehn und wir fallen dann gemeinsam über die Kurhauskonditorei her.“
„Ja, fein, so machen wir’s!“
„Lassen Sie mich doch endlich schlafen!“ Daniel Käfer wollte ärgerlich Schillers Hand abwehren. Ach so … Sabine …
„Guten Morgen, mein Held! Die Sonne strahlt, als bekäme sie dafür bezahlt. Raus aus den Federn!“
Er setzte sich auf. „Ziemlich hell für Mitternacht, wie?“
„Mach, dass du ins Bad kommst. Es ist halb elf. Ich hab’s nicht fertig gebracht, dich früher zu wecken.“
„So. Alles bereit für eine weitere Expedition in den Ausseer Fasching!“ Sabine zupfte ein Haar von Käfers Jacke. „Sag einmal, Daniel: Hast du gestern abend irrtümlich meinen Parka erwischt?“
„Nein, nicht irrtümlich. Ich wollte dich um mich haben, wenigstens in dieser Form.“
„Ach du …“
„Komm, wir gehen.“
Vor dem Haus blieben die beiden stehen. Sabine lehnte sich an Käfers Schulter. „Meinst du nicht auch, dass er ein wenig übertreibt, dieser Wintertag?“
Der Sarstein zeichnete eine hochmütige Kontur in den blitzblauen Himmel, blendend weiß beschneiter Fels über dem dunkleren Bergwald. Im Tal glitzerten weite Schneeflächen, Raureif bedeckte Bäume und Büsche, unter denen bläuliche Schatten lagen. Es war noch immer sehr kalt, doch auch eine Andeutung von Sonnenwärme lag in der Luft. Daniel Käfer stieß eine weiße Atemwolke aus. „Das Leben hat was, gar kein Zweifel. Gehn wir zu Fuß?“
„Meinetwegen bis ans Ende der Welt.“
„Waren das wirklich nur wir zwei, Sabine? Orangensaft, Kaffee, Apfelstrudel, Zimtschnecke, ein Lebkuchenherz, Marmorgugelhupf, Fächertorte und zwei Gläser Sekt?“
„Na und? Dafür verzichten wir heroisch aufs Mittagessen.“ Sabine betrachtete interessiert die Serviererin. „Kannst du mir das erklären? Anderswo riecht Tracht nach Mottenkugeln und betulicher Brauchtumspflege. Hier tragen die Mädchen ihre Dirndlkleider, als wär’s die zweite Haut.“
„… und die Männer tragen ihren Hut, als wär’s ein Teil vom Kopf.“
„Du willst damit doch nicht sagen, dass ich den Hubert enthauptet habe, heute früh?“
„Nein, Sabine. Das hat die Maria erledigt. Möchte gar nicht wissen, wo die noch gelandet ist in der Nacht. Hoffentlich weich, aber nicht zu weich.“
„Die streiten sich schon wieder zusammen.“ Sabine schaute zur Tür. „Daniel, ich glaub’s nicht! Da steht einer, der eigentlich liegen müsste!“
Eustach Schiller näherte sich mit kleinen, tastenden Schritten. Er bot noch immer ein Bild des Jammers, doch wenigstens hatte die Kälte sein Gesicht etwas gerötet. „Ertragen Sie mich, Herr Käfer?“
„Wenn’s nicht wieder eine Nacht lang sein muss, gerne.“
Schiller wirkte kraftlos, aber auch entschlossen. Vorsichtig nahm er Platz. „Es gab einiges zu erledigen, Unaufschiebbares. Zu lange habe ich bequem gezögert und geziert herumgespielt.“
„Wovon reden Sie?“
„Von Herrn Köberl. Wir beide sollten einander morgen treffen, Herr Käfer. Nicht vor Nachmittag. Dann weiß ich Näheres, und es wird hoffentlich möglich sein, die sprichwörtlichen Nägel mit Köpfen zu schmieden.“
„Ich habe zwar keine Ahnung, wovon Sie reden, aber Sie scheinen es ernst zu meinen – und alles, was dem Sepp Köberl hilft, soll
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