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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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einschläfst.“
    Sabine blieb in der Zimmertür stehen und legte den Kopf an seine Brust. „Das tust du schon den ganzen Abend, Daniel. Warum noch eine?“
    „Weil ich dich nicht loslassen will. Noch nicht. Schlimm?“
    „Nein.“
    Feierlich ließ sich Daniel Käfer auf der Bettkante nieder. „So höre denn, Liebes. Es war einmal ein Jüngling, der liebte ein Mädchen. So schön und klug war diese junge Frau, dass die Weisesten der Weisen fragend zu ihren Füßen lagen, die Könige schwenkten huldvoll grüßend ihre Kronen und neigten die bloßen Häupter. Die Heiligen suchten ihr Heil in ihr und die Sünder beteten sie an. Eines Tages nahm der Jüngling seinen ganzen Mut zusammen und fragte, ob sie für immer bei ihm bleiben wolle. Weiß nicht, gab sie zur Antwort, frag mich doch wieder, bei Gelegenheit. Der Jüngling hatte dann viel zu tun. Er musste einen Drachen erschlagen, die sieben Weltmeere befahren, die blaue Blume brechen und den Mietzins bezahlen. Als er wieder zu ihr kam, hatte er graue Fäden in seinen Gedanken, müde Lichter in den Augen und Hände wie welkes Laub. Jetzt frage ich dich wieder, flüsterte er. Antworte schnell. Mir bleibt nur noch eine Sekunde. – Und? Was ist?“ fragte Daniel Käfer. Aber Sabine war eingeschlafen.

18
    Käfer zupfte die Bettdecke zurecht und beschloss, die Leier ein andermal wieder zu schlagen. Doch wohin mit dieser jungen Nacht? Er ging zurück in die Küche. Da war noch eine Ahnung von Speck und Ei in der Luft, und die Stille hatte viel zu erzählen. Käfer mochte solche Räume. In München war er oft in der Redaktion geblieben, wenn die anderen gegangen waren, hatte schweigend Sätze zu Ende geredet und Gedanken an Gedanken geknüpft. So manche Antwort, vordem verschüttet von verbalem Gerümpel, lag dann einfach da, Bruchstücke fügten sich zu Bildern.
    Und auch jetzt gestand sich Daniel Käfer ein, dass er sehr gerne allein hier saß. Noch kurz zuvor hatte er diesen schändlichen Morpheus zum Teufel gewünscht, weil er Sabine so gebieterisch in seine Arme zog. Aber hier in der Küche konnte er ungestört Erinnerungen nachhängen, sie ausschmücken, mit neuen Farben malen. Es war ihm gestattet, sündhaften Fantasien nachzuhängen, begehrlichen Visionen und maßlosen Plänen. Sogar ein kleiner Seitensprung war widerspruchslos geduldet. Käfer erhitzte Wasser, goss Tee auf, fügte nicht wenig Rum und Zucker hinzu und dachte an Christine Köberl. Ob der Sepp wusste, was er an seiner Frau hatte? Oh doch, das wusste er. Die zwei waren ein Liebespaar. Doch diese merkwürdige Angst vor dem Aschermittwoch, der Wunsch, darüber zu reden, die Scheu davor, etwas dabei zu verraten, und dann noch Gerüchte und Geschwätz … Käfer spürte Unbehagen in sich aufsteigen. Der Mittwoch sollte ja auch ein konkretes Gespräch mit Bruno Puntigam bringen, und ob das Ergebnis ein erfreuliches sein würde, war neuerdings nicht mehr so gewiss. Ja, und die gemeinsame Arbeit mit Sabine war dann fürs Erste beendet. Penthouse in Hamburg statt Bauernhaus in Sarstein. Käfer trank die Tasse leer. Plötzlich fühlte er sich in dieser Küche allein gelassen und fehl am Platze.
    Also gut, dann eben ein Abendspaziergang, eine Ehrenrunde sozusagen für diesen bemerkenswerten Tag. Von sentimentalem Trotz ergriffen, schlüpfte Käfer in Sabines Parka und trat vor das Haus. Die Nacht war sternenklar, eisig kalt, doch windstill. Hier in Sarstein war alles ruhig, keine Spur von Narrentreiben. Sogar das nahe Gasthaus
Zum Ech
blieb Montag geschlossen, weil Anna wie auch ihr Vater im Fasching Besseres zu tun hatte, als sich um Gäste zu kümmern. Käfer brachte den zum Hotel Wasnerin ansteigenden Weg hinter sich, atmete ein wenig schneller und spürte die Kälte nicht mehr. Auch die schlechte Laune war verflogen. Er hatte Lust darauf, noch irgendetwas zu erleben und ging entschlossen auf die kleine Stadt zu.
    Nach einer guten halben Stunde war er am Ziel. Die Trommelweiber hatten wohl längst ihren Umzug beendet, doch nach wie vor waren Maschkera-Gruppen unterwegs. Daniel Käfer zog von Lokal zu Lokal. Er verfolgte mit angemessener Heiterkeit die Versuche einer Maurerpartie, mit Mörtel und Kelle Damenkosmetik zu betreiben, entkam mit knapper Not dem Zangenangriff animiert kreischender Hetären, wurde genötigt, mit kühnen Alpinisten auf einem Schneehaufen im Kurpark den Gipfelsieg zu feiern und konnte nur mit Mühe eine Kochtopf-bewehrte Kannibalen-Gruppe von seiner Ungenießbarkeit

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