Narziss Und Goldmund
und beinah lärmend klang. Hinter einem offenen Fenster war ein Bäcker inmitten seiner Laibe und Wecken zu sehen, Goldmund deutete auf einen Wecken, und der Bäcker reichte ihn vorsichtig auf langer Backschaufel heraus, wartete darauf, daß Goldmund ihm 216
Geld auf die Schaufel lege, und schloß sein Fensterchen böse, aber ohne Gezeter, als der Fremde in den Wecken biß und weiterging, ohne zu zahlen. Vor den Fenstern eines hübschen Hauses stand eine Reihe von tönernen Töpfen, in denen hatten sonst Blumen geblüht, jetzt hingen verdorrte Blätter über die leeren Scherben herab. Aus einem anderen Hause drang Schluchzen und Jammergeschrei von Kinderstimmen. Aber in der nächsten Gasse sah Goldmund oben hinter einem Fenster ein hübsches Madchen stehen und die Haare kämmen, er schaute ihr zu, bis sie seinen Blick fühlte und herabblickte, errötend sah sie ihn an, und als er ihr freundlich zulächelte, lief langsam und schwach auch über ihr errötetes Gesicht ein Lächeln.
»Bald fertiggekämmt?« rief er hinauf. Lächelnd beugte sie das lichte Gesicht aus der Fensterhöhle.
»Noch nicht krank?« fragte er, und sie schüttelte den Kopf. »Dann komm mit mir aus dieser Totenstadt hinaus, wir wollen in den Wald gehen und ein gutes Leben haben.«
Sie machte fragende Augen.
»Besinn dich nicht lange, es ist mir Ernst«, rief Goldmund »Bist du bei Vater und Mutter, oder bei fremden Leuten im Dienst? – Bei Fremden also. Dann komm, liebes Kind, laß die alten Leute sterben, wir sind jung und gesund und wollen es noch eine Weile gut haben. Komm, Braun-härchen, es ist mein Ernst.«
Prüfend sah sie ihn an, zögernd, erstaunt. Er ging langsam weiter, schlenderte durch eine Gasse ohne Menschen und durch eine zweite, und kehrte langsam zurück. Da stand das Mädchen noch immer am Fenster, vorgebeugt, und freute sich, daß er wiederkam. Sie winkte ihm zu, langsam ging er weiter, bald kam sie nach, noch vor dem Tore holte sie ihn ein, ein kleines Bündel in der Hand, ein rotes Tuch um den Kopf.
»Wie heißt du denn?« fragte er sie.
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»Lene. Ich komme mit dir. Oh, es ist so schlimm hier in der Stadt, alle sterben. Nur fort, nur fort!«
In der Nähe des Tores kauerte Robert mißgelaunt am Boden. Er sprang auf, als Goldmund kam, und riß die Augen auf, als er das Mädchen sah. Diesmal ergab er sich nicht sogleich, er lamentierte und machte Szenen. Daß einer da aus dem verfluchten Pestloch eine Person mit her-ausbringe und daß man ihm zumuten wolle, ihre Gesellschaft zu dulden, das sei mehr als verrückt, es sei Gott versucht, und er weigere sich, er gehe nicht mehr mit, seine Geduld sei jetzt zu Ende.
Goldmund ließ ihn fluchen und klagen, bis er stiller wurde.
»So«, sagte er, »du hast uns nun lang genug angesungen.
Du wirst jetzt mit uns gehen und wirst dich freuen, daß wir eine so hübsche Gesellschaft haben. Sie heißt Lene, und sie bleibt bei mir. Aber nun will ich dir auch eine Freude machen, Robert, höre wir wollen jetzt eine Weile in Ruhe und Gesundheit leben und der Pestilenz aus dem Wege gehen. Wir suchen uns einen hübschen Ort mit einer leeren Hütte, oder bauen selber eine, da will ich mit Lene Hausherr und Hausfrau sein, und du bist unser Freund und lebst mit uns. Wir wollen es jetzt ein bißchen hübsch und freundlich haben Einverstanden?«
O ja, Robert war sehr einverstanden Wenn man nicht von ihm verlange, daß er der Lene die Hand gebe oder ihre Kleider berühre – – –
»Nein«, sagte Goldmund, »das wird nicht verlangt. Es wird dir sogar aufs strengste verboten, die Lene mit einem Finger anzurühren Laß dir das nicht einfallen?«
Sie marschierten zu dreien weiter, schweigend zuerst, dann allmählich fing das Madchen zu sprechen an, wie froh sie sei, wieder Himmel und Bäume und Wiesen zu sehen, es sei so grausig gewesen da drinnen in der Peststadt, nicht zu 218
sagen. Und sie fing an zu erzählen und ihr Gemüt von den traurigen und scheußlichen Bildern zu entladen, die sie hatte sehen müssen. Manche Geschichten erzählte sie, üble Geschichten, die kleine Stadt mußte eine Hölle sein. Von den beiden Ärzten sei einer gestorben, der andere gehe bloß zu den Reichen, und in vielen Häusern lagen die Toten und ver-faulten, weil niemand sie holte, in anderen Häusern aber hatten die Totenknechte gestohlen, geludert und gehurt, und oft hatten sie mit den Leichen auch die noch lebenden Kranken aus den Betten gezerrt und auf ihre Schinderkarren geworfen und sie mit den Toten
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