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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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spielten auf hohlen Knochen dazu auf. Tief sogen Goldmunds neugierige Augen das Bild in sich ein. Da hatte ein unbekannter Kollege die Lehre aus dem gezogen, was er vom Schwarzen Tod gesehen hatte, und schrie die bittere Predigt vom Sterbenmüssen den Menschen gell in die Ohren. Es war gut, das Bild, es war eine gute Predigt, nicht schlecht hatte dieser fremde Kollege die Sache gesehen und hingestrichen, es klang beinern und schaurig aus seinem wilden Bilde. Aber doch war es nicht das, was er selbst, Goldmund, gesehen und erlebt hatte. Es war das Sterbenmüssen, das hier gemalt war, das strenge und unerbittliche. Goldmund aber hatte sich ein anderes Bild ge wünscht, ganz anders klang in ihm das wilde Lied des Todes, nicht beinern und streng, sondern eher süß und verführend, heimwärtslockend, mütterlich. Da, wo der Tod seine Hand ins Leben streckte, klang es nicht nur so grell und kriegerisch, es klang auch tief und liebevoll, herbstlich und satt, und in der Todesnähe glühte das Lebenslämpchen heller und inniger. Mochte der Tod für andere ein Krieger, ein Richter oder Henker, ein strenger Vater sein – für ihn war der Tod auch eine Mutter und Geliebte, sein Ruf ein Liebeslocken, seine Berührung ein Liebesschauer. Als Goldmund den gemalten Totentanz betrachtet hatte und weiterging, zog es ihn mit erneuter Macht zum Meister und zum Schaffen. Ab er überall gab es Aufenthal te, neue Bilder und Erlebnisse, mit bebenden Nüstern atmete er die Todesluft, überall verlangte Mitleid oder Neugierde eine Stunde, einen Tag von ihm. Drei Tage lang hatte er einen kleinen greinenden Bauernknaben bei sich, trug ihn stundenlang auf seinem Rücken, einen halbverhungerten Wicht von fünf oder sechs Jahren, der ihm viel Mühe machte und den er nur schwer wieder loswerden konnte. Endlich nahm ihm eine Köhlerfrau den Buben ab, ihr Mann war gestorben, sie wollte wieder etwas Lebendiges um sich haben. Tagelang begleitete ihn ein herrenloser Hund, fraß ihm aus der Hand, wärmte ihn beim Schlafen, eines Morgens aber hatte er sich wieder verloren. Es tat ihm leid, er hatte sich daran gewöhnt, mit dem Hunde zu sprechen, halbe Stunden lang richtete er grüblerische Reden an das Tier, über die Schlechtigkeit der Menschen, über die Existenz Gottes, über die Kunst, über die Brüste und Hüften einer jungen Ritterstochter namens Julie, die er einst in seiner Jugend gekannt hatte. Denn natürlich war Goldmund auf seiner Todeswanderung ein klein wenig verrückt geworden, alle Menschen im Pestgebiet waren ein wenig verrückt, und viele waren es ganz und gar. Ein klein wenig verrückt war vielleicht auch die junge Jüdin Rebekka, das schöne schwarze Mädchen mit den brennenden Augen, mit dem er sich zwei Tage versäumte.
    Er fand sie vor einer kleinen Stadt im Felde, bei einem schwarz verkohlten Tr ümmerhaufen hockte sie und heul te, schlug sich ins Gesicht und riß an ihren schwarzen Haaren. Die Haare erbarmten ihn, sie waren so schön, und er fing ihre wütenden Hände und hielt sie fest und redete dem Mädchen zu und nahm dabei wahr, daß auch ihr Gesicht und Wuchs von großer Schönheit war. Sie klagte um ihren Vater, der war samt vierzehn anderen Juden auf Befehl der Obrigkeit zu Asche verbrannt worden, sie aber hatte fliehen können, war nu n aber verzweifelt zurückge kehrt und klagte sich an, daß sie sich nicht habe mitverbrennen lassen. Geduldig hielt er ihre zuckenden Hände fest und sprach sanft auf sie ein, brummte mitleidig und beschützend, bot ihr Hilfe an. Sie verlangte, daß er ihr helfe, ihren Vater zu begraben, und sie sammelten aus der noch heißen Asche alle K nochen heraus, trugen sie felde inwärts ins Verborgene und bedeckten sie mit Erde. Es war darüber Abend geworden, und Goldmund suchte einen Schlafplatz, in einem Eichenwäldchen richtete er dem Mädchen ein Lager, versprach ihr, zu wachen, und hörte zu, wie sie im Liegen weiterweinte und schluckte und endlich einschlief. Dann schlief auch er ein wenig, und am Morgen begann er seine Werbung. Er sagte ihr, daß sie so allein nicht bleiben könne, man würde sie als Jüdin erkennen und totschlagen, oder wüste Landfahrer würden sie mißbrauchen, und im Wald seien Wölfe und Zigeuner. Er aber, er nehme sie mit sich und schütze sie gegen Wolf und Mensch, denn sie tue ihm leid, und er sei ihr sehr gut, denn er habe Augen im Kopf und wisse, was Schönheit sei, und nie werde er dulden, daß diese süßen klugen Augenlider und diese holden Schultern von

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