Narzissen und Chilipralinen - Roman
unters Kissen stecken und verschwinden möchte. Da springt plötzlich etwas auf meinen Rücken. Ich rolle mich herum und schnappe mir Silas, der laut aufkreischt.
»Du sollst zum Mittagessen kommen, sagt Mama!«, schreit er mir ins Ohr, während ich ihn durchkitzele.
Daniel hat Angst. Das überrascht mich. Als ich den steinigen Weg zum Hügel hochstapfe, wo die meisten Hopis sich schon versammelt haben, kommt er mir ein paar Schritte entgegen und wartet auf mich, und an seinen Augen sehe ich, wie nervös er ist.
»Hi«, sage ich locker.
Ich lasse ihn ein bisschen schmoren. Geschieht ihm nur recht. Wieso muss er bloß so ... so erstaunlich sein? Manchmal ärgere ich mich dermaßen über ihn, dass ich ihn zum Mond schießen könnte, und dann wieder genügt es, dass er meine Hand nimmt und ich bin so glücklich, dass ich fast platze. Als hätte jemand in mir einen Whirlpool eingeschaltet und überall kribbelt es und kleine Bläschen steigen auf und ich könnte tanzen und lachen vor Glück und bin doch ganz still, um nichts kaputt zu machen. Als wäre ich eine Colaflasche, die explodiert, wenn man sie zu doll schüttelt.
»Hast du es ... gefunden?«
»Die Schokolade? Ach, die hab ich den Kids geschenkt. Du weißt doch, ich mag keine Schokolade.«
»Hey, du böses Ding.« Er streicht mit den Fingerspitzen über meine Wange und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Möglicherweise wäre ich bereit, ihn auf der Stelle zu heiraten und nicht erst zu warten, bis ich vierundzwanzig bin.
»Da hast du dir ja was einfallen lassen. Danke.« Ich küsse ihn ganz leicht und zärtlich auf die Lippen. Schließlich sind die anderen alle dabei.
»Hast du sie schon aufgegessen?«, erkundigt er sich.
»Nee, die hebe ich mir alle auf«, meine ich lässig.
»Dann hast du noch nicht drunter geguckt?«
Ich zupfe an seinem T-Shirt. »Darf ich denn? Hier vor allen?«
Daniel lacht. Oh, ich liebe dieses Lachen. »Du Schlimme, du.« Er gräbt seine Nase in mein Haar.
»Deine Lieder sind wundervoll«, sage ich, um ihn endlich zu erlösen. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin überwältigt.«
»He, ihr Turteltauben!«, ruft Sonja. »Wir anderen holen uns jetzt eine Bratwurst. Und da ist ein Feuer, falls euch das noch nicht aufgefallen ist.«
Ich löse mich von Daniel. »Da hast du ja noch mal Glück gehabt.«
»Inwiefern?«, will er wissen.
»Tja«, meine ich, »vorhin, das war ein Danke-für-die-Pralinen-Kuss. Wenn ich dir jetzt den Ich-bin-überwältigt-Kuss verpasst hätte, dann hättest du bestimmt nochmal sieben Wochen ohne drangehängt.«
12.
Weil noch Ferien sind, habe ich mich am Dienstag mit Mandy verabredet, um Shoppen zu gehen. Ich hatte gehofft, dass Kim nicht kann – im Urlaub ist oder so – aber leider ist sie mit von der Partie. In diesem Moment wünsche ich mir, ich hätte auch jemanden mitgebracht, Sonja oder Rosi. Vielleicht bin ich das nächste Mal so mutig und mach es einfach.
Könnte ja sein. Im Moment, nach diesem herrlichen Osterwochenende, bin ich richtig gut drauf und bereit, mich alles Mögliche zu trauen. Nein, ich werde mir die Stimmung nicht verderben lassen. Ich bin fest entschlossen, den Vormittag zu genießen.
»Ob mir das wohl steht?« Mandy tut bescheiden, als sie an einem Kleiderkarussell ein Top entdeckt, das sie schon immer haben wollte. Dabei ist sowieso klar, dass sie gut darin aussehen wird. Wie immer.
»Das ist doch wohl nicht ... Leute, seht ihr, was ich sehe?«
Plötzlich stehen ein paar Mädels vor uns, die uns anstarren, obwohl ich die gar nicht kenne. Was wollen die von uns? Autogramme wohl kaum. Dann dämmert es mir. Das ist Leonie, die wir mit unserer Modelnummer veräppelt hatten. Leonie und ihre Freundinnen.
»Wenn das nicht ein schönes Wiedersehen ist.« Die Sprecherin ist mollig und stützt beide Hände in die Hüften. Sie sieht ziemlich kräftig aus.
»Ganz meinerseits«, sagt Mandy höflich. »Und, hat die Agentur schon angerufen?«
Die Dicke rempelt Mandy unsanft an, sodass das hübsche Top zu Boden fällt. Als ich es aufheben will, stößt die nächste mich in die Kleiderbügel. Das ist zu viel für Kim. Sie ist Boxerin und leicht reizbar, und obwohl sie bei unserer Aktion nicht dabei war, ist ganz klar, auf wessen Seite sie steht. Sie fängt an, draufloszudreschen. Leonie zieht sie an den Haaren. Wir versuchen sie von Kim wegzukriegen, was die übrigen Mädels auf den Plan ruft. Sie sind zu sechst, wir zu dritt, aber wir haben Kim. Die schleudert
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