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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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den Eltern ins Gesicht zu sehen, die sich um ihre Tochter sorgen, und sich dann den Zugang in Tines Zimmer zu erschleichen. Ich kann förmlich das Entsetzen in seiner Stimme hören. »Bitte, Miriam, steiger dich da doch nicht so rein. Wollen wir uns nicht einfach wieder mal ganz normal treffen?«
    »Sorry, aber im Moment brauche ich niemanden, der mich süß findet«, sage ich, möglicherweise etwas heftiger als nötig, »ich brauche jemanden, der mir hilft. Bist du dabei?«
    Daniel ringt mit sich. Und irgendwie bringt er ein Ja heraus.
    »Danke.« Ich bin erleichtert. Denn ganz allein will ich da auch nicht aufkreuzen. »Dann frag ich noch Basti, wann er kann, und ...«
    »Basti?«, unterbricht Daniel mich. »Den willst du doch nicht mitnehmen?«
    Doch, will ich. Bastian ist nervös wie ein Tiger unter Drogen. Er braucht ebenso dringend etwas zu tun wie ich.
    »Ich glaube nicht, dass Tines Eltern ihn reinlassen«, sagt Daniel vorsichtig. »Immerhin ist er in gewisser Weise verdächtig. Du kannst ihnen das nicht antun und ihn mitnehmen.«
    »Basti ist unschuldig!«, schnappe ich.
    »Darum geht es doch gar nicht, und das weißt du.«
    Ich hasse es, mit Daniel zu streiten. In letzter Zeit sind wir wegen allem und jedem unterschiedlicher Meinung. Vor allem hasse ich es, wenn er recht hat und ich mir blöd vorkomme. Und deshalb stehe ich schließlich allein vor Tines Elternhaus. »Behrmann« steht auf dem Schild. Dass ich das Quietschen von Fahrradbremsen höre, gerade als ich klingeln will, überrascht mich dafür umso mehr. Daniel hatte einen längeren Weg und ist sehr schnell gefahren. Seine Stirn ist schweißnass, aber auf seinen Lippen liegt ein zufriedenes Lächeln. »Da bin ich. Wie besprochen.«
    Ich grinse zurück und genieße es, dass zwischen uns wieder alles in Ordnung ist.
    Tines Mutter öffnet uns, und hastig verwandle ich mein Grinsen wieder in ein angemessen ernstes Gesicht. Ich kenne sie aus der Gemeinde, aber ich habe, soweit ich mich erinnere, noch nie mit ihr gesprochen. Sie ist die Art Frau, vor der meine Mutter Angst hat – so eine ganz Tüchtige, neben der alle anderen schlampig und unfähig dastehen. Doch jetzt sieht sie aus, als hätte sie sogar vergessen, sich zu kämmen.
    »Ich hatte Tine ein Buch geliehen«, sage ich. »Ich würde wirklich nicht drauf drängen, wenn es nicht aus der Bücherei wäre. Ich muss es unbedingt am Montag zurückgeben.«
    »Ein Buch aus der Bücherei?« Sie starrt mich an, als hätte ich etwas absolut Unsinniges von mir gegeben. Als hätte ich von einer Welt gesprochen, in der man Bücher liest und zurückgibt, eine normale Welt, die sie längst verlassen hat. Ich muss schlucken, als mir klar wird, dass Tines Mutter sich in der Tine-ist-verschwunden-Welt befindet und dort wie eine Gefangene darauf wartet, in unseren normalen Alltag zurückzukehren. Wenn sie nicht sogar schon vergessen hat, dass es die normale Welt noch gibt.
    »Darf ich in ihrem Zimmer nachsehen?«
    Sie führt uns nach oben. Tine hat ein vorbildliches Zimmer hinterlassen, das auf sie zu warten scheint. Mir fällt sofort auf, dass der Computer fehlt. Den hat bestimmt die Polizei mitgenommen.
    Tines Mutter bleibt an der Schwelle stehen, während ich zögernd einen Schritt ins Zimmer wage. Es ist, als würde ich eine Gruft betreten. Alles wirkt so, als wäre es für eine Tote. Die Besitztümer einer Toten. Tine wäre bestimmt mächtig empört, dass ich mir ihre Sachen angucke, ohne ihre Erlaubnis. Wir waren nie so gut befreundet, dass sie mich je hierhin eingeladen hätte. Dann könnte ich vielleicht sagen, ob etwas nicht stimmt, ob etwas anders ist als sonst. Das Bett mit der ordentlich glattgestrichenen Bettdecke. Darüber ein paar Poster an der Wand, natürlich ausschließlich von christlichen Lobpreis-Bands. Die Schulbücher auf dem Tischchen. Die Leuchtziffern des Weckers erinnern daran, dass die Zeit vergeht. Ohne sie.
    »Ist es da?«, fragt die Mutter.
    Zögernd trete ich an den Bücherstapel und hebe das erste Buch hoch. Daniel versteht den verzweifelten Blick, den ich ihm zuwerfe, sofort.
    »Hätten Sie vielleicht was zu trinken für mich?«, fragt er und streicht sich vor Verlegenheit durch die Haare. Ich atme auf, als er Frau Behrmann weglotst und ich endlich allein bin.
    Rasch sehe ich mich um. Überprüfe die Bücher, ob verräterische Zettel drin stecken. Die Schubladen. Darin liegt ein Bibelleseplan, aber ohne Bibel. Die offenen Regale. Ich wage schnell noch einen Blick in den

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