Narzissen und Chilipralinen - Roman
»Absolut niemandem.«
Niklas und Dominik nicken erschrocken. Philipp schweigt. Jackson grinst. Alf macht ein undurchschaubares Gesicht.
Bastian schaut verwirrt von ihr zu mir und wieder zurück. »Mein Name kommt jetzt aber nicht wirklich in diese Datei, oder?«
2.
Mein ultimatives Rezept für Schokoküsse: Zuerst isst man die Schokolade. Am besten seine Lieblingssorte. Dann braucht man einen Freund, einen, der so gut küssen kann, dass man selbst die Schokolade sein möchte, die dahinschmilzt. Und den küsst man dann.
Fertig.
Für alle, die keinen Freund haben, ist das natürlich ziemlich doof.
Wenn allerdings der Freund, den man hat, schlecht drauf ist, muss man auch besser zu echter Schokolade greifen. Irgendwie hatte ich mir diesen Nachmittag anders vorgestellt.
Daniel sitzt auf dem Boden, ans Bett gelehnt, und hat seine Gitarre auf dem Schoß. Die Melodie, die er vor sich hinklimpert, klingt traurig.
»Und die Ärzte wissen wirklich nicht, wann sie wieder aufwacht?«, frage ich, dabei hat er mir das bereits gefühlte tausend Mal erzählt. Seine Mutter übrigens auch schon, als ich hergekommen bin. »Sarah liegt im Koma, sie hatte einen schweren Unfall. Wir wissen noch nicht, wie es weitergeht. Ja, Daniel ist oben, geh ruhig hoch zu ihm.«
Jetzt bin ich also in seinem Zimmer, und er hält bloß sein blödes Instrument umklammert und bläst Trübsal.
»Sie übersteht es schon«, sage ich, nur um irgendetwas zu sagen. »Du wirst sehen, alles wird gut.« Ich kann es gar nicht haben, wenn Daniel so still und in sich gekehrt ist. Um ihn aufzumuntern, hätte ich ihm fast erzählt, was Mandy und ich heute in der Fußgängerzone angestellt haben, aber ich beiße mir noch rechtzeitig auf die Lippen, denn irgendwie kann ich mir denken, dass ihm das nicht gerade gefallen wird. Er wird nicht so begeistert sein, dass er mich in die Arme nimmt und küsst. Oh Mann, ich bin echt egoistisch, ich weiß. Statt angemessen um seine Schwester zu trauern, ärgere ich mich, dass er sich nicht um mich kümmert. Aber hallo? Sarah ist schließlich nicht tot, noch nicht, und ich kann doch nichts dafür, dass es ihr schlecht geht.
»Wollen wir denn heute was unternehmen?«, frage ich.
»Du, mir ist nicht so danach«, sagt er.
Ich beginne, mich zu ärgern. »Deine Schwester wird nicht davon gesund, dass du hier rumsitzt«, teile ich ihm mit, falls er nicht daran gedacht hat.
Er hebt den Kopf und schaut mich an. Wieder einmal reicht ein Blick, und meine Haut prickelt überall. In meiner Brust macht mein Herz ein paar wilde Hüpfer. Daniel ist einfach so ... süß. Vielleicht könnte ich tatsächlich damit zufrieden sein, hier zwei Stunden zu sitzen und ihn anzuschmachten.
Vielleicht.
Aber andererseits ist heute Samstag und wir haben schon die letzten Wochenenden damit verbracht, im Zimmer zu hocken.
»Gib dir einen Ruck und komm mit«, sage ich.
Eine Falte bildet sich zwischen seinen Augenbrauen. Die ist mir sonst noch nie aufgefallen. »Glaubst du wirklich, ich hab jetzt Lust, irgendwo hinzugehen? Ich mache mir echt Sorgen!« Er versucht zu lächeln, was ziemlich kläglich aussieht. »Wollen wir für sie beten?«
»Wie, laut?«
»Warum nicht?«
Ich bin nicht gut darin, laut zu beten. Überhaupt nicht. Eigentlich bin ich überhaupt nicht gut im Beten. Das heißt, ich sage Gott schon zwischendurch, was ich denke und was ich mir wünsche und so. Aber das ist ein Gespräch zwischen ihm und mir, das ist privat. Abgesehen davon, dass ich mir manchmal gar nicht sicher bin, ob es ihn wirklich gibt.
Daniel weiß allerdings nicht, dass ich so viel zweifle, das behalte ich für mich. Ich habe nämlich die heimliche Befürchtung, dass ihm das nicht reicht. Bestimmt möchte er eine Freundin, die genauso wie er glaubt: hundertprozentig. Daniel ist der Glaube unheimlich wichtig. Aus diesem Grund bemühe ich mich darum, in seiner Gegenwart Miriam aus der Gemeinde zu sein, die zwar kritisch über vieles nachdenkt, aber dennoch unerschütterlich an Gott glaubt. Das ist keine Heuchelei, oder? Denn zwischendurch glaube ich ja tatsächlich ganz fest. Nur eben nicht immer.
Trotzdem finde ich es unfair, dass ich mein Wochenende mit Beten verbringen soll. Deshalb schicke ich Mandy eine SMS und frag sie, was sie heute vorhat. Wenn überhaupt nichts läuft, kann ich ja immer noch beten.
Aber ihre Antwort kommt prompt: Sie geht wieder mal auf eine Party. Gibt es überhaupt einen Samstagabend, an dem sie nicht auf einer Party ist? Gibt es eine
Weitere Kostenlose Bücher