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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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...
    Das Ufer ist hier viel wilder, als die Stelle am Parkplatz vermuten lässt. Schilf und hohe Gräser. Die Bäume neigen ihre Wipfel über das Wasser. Vor uns gleiten die anderen Boote dahin.
    Die Luft ist klar und frisch. Ein herrlicher Frühlingstag. Ich könnte jetzt glücklich sein, wenn ich nicht immerzu an Daniel denken müsste. Aber das regelmäßige Eintauchen des Paddels ins Wasser ist anstrengender, als ich dachte, und nach und nach lösen sich alle Sorgen auf. Ich konzentriere mich darauf, unser Boot vorwärtszubringen. Willi sitzt vorne, dann kommt Victoria, dann ich, dann Finn. Die Paddel tauchen ins Wasser. Rechts, links, rechts, links. Ab und zu geraten Victoria und ich einander ins Gehege. Das Kanu steuert aufs rechte Ufer zu, ohne dass wir es stoppen können. »Wo wollt ihr denn hin?«, fragt Willi. »Finn, du musst lenken!«
    Wir stoßen uns wieder ab. Dem Boot vor uns geht es ähnlich, es fährt die ganze Zeit im Zickzackkurs. Es dauert eine Weile, bis wir den richtigen Rhythmus raushaben. Hier auf dem Wasser fühlt sich alles leichter an. Unwirklicher. Die Anstrengung vertreibt die letzten Reste von Schlaf. Ich wünschte, Tom wäre hier. Nein, ich wünschte, ich könnte Daniels Musik hören und mich wiederfinden; irgendwie ist mir, als wäre ich verloren gegangen unterwegs.
    Der Fluss fliegt unter uns dahin. Es wird immer wilder, immer romantischer. Die Sonne steigt höher, aber noch hat sie nicht die Kraft der Sommersonne. Fand ich es zu Beginn recht kühl, so wird mir allmählich zu warm. Ich öffne meine Weste, um meine Jacke auszuziehen. Am liebsten würde ich auch die Schwimmweste weglassen, denn darin schwitzt man ganz schön. Hässlich ist sie außerdem noch, so dick und klobig.
    Wir nähern uns schon wieder bedenklich dem Ufer. Ach nein, das ist Absicht, wie ich feststelle. Die anderen tragen bereits ihre Kanus höher hinauf, damit sie nicht wegschwimmen und für die Nächsten Platz zum Anlegen ist.
    »Pause!«, schreit jemand vor uns.
    Eins nach dem anderen legen die Boote am Ufer an. Beim Aussteigen wackeln mir die Knie. Mein Hintern schmerzt, die Beine, meine Schultern, mein Rücken. Am liebsten würde ich mich gleich auf die Wiese legen und alle Viere von mir strecken. Und einen Durst hab ich!
    Ein paar Väter aus der Gemeinde sind mit einem großen Wagen da und haben schon mit dem Grillen angefangen. Ich halte Ausschau nach Daniel, aber der ist wieder einmal mit Helfen beschäftigt. Sonja kommt strahlend auf mich zu. Sie hat sogar daran gedacht, meinen Rucksack mitzubringen, in dem die rettende Wasserflasche bereitliegt. »Das macht Spaß. Aber«, sie hält sich stöhnend das Hinterteil, »mir tut alles weh, dir auch?«
    »Komm, wir setzen uns dahinten hin«, schlage ich vor.
    Wir ziehen uns auf einen Baumstamm zurück und beobachten, wie die anderen ums Feuer herumstehen.
    »Hast du Sonnenmilch dabei? Ich glaub, ich krieg einen Sonnenbrand auf der Nase.«
    »Michael hat uns doch extra gesagt, wir sollen welche mitnehmen«, sage ich, während ich in meinem kleinen Rucksack krame. »Voilà, hier ist sie.«
    »Oh, du hast ja das Buch mit«, sagt Sonja, während sie einen Klecks Sonnenmilch auf ihrer Nase verreibt. Für einen Moment sieht sie wie ein Clown aus.
    »Falls ich mich langweile, was offenbar nicht der Fall ist.« Ich schlage den Buchdeckel auf und lese die Widmung.
    »Für meine beste Freundin Miriam zum Geburtstag. Deine Sonja.« Da ist ein Glücksgefühl in meiner Brust, das mein Herz schneller schlagen lässt. Sie nennt mich ihre beste Freundin!
    Endlich bringe ich den Mut auf, sie zu fragen. »Was läuft eigentlich zwischen dir und Michael?«
    »Was?« Sie nimmt einen kräftigen Schluck aus ihrer Flasche. »Gar nichts, leider. Aber sobald da was ist, erfährst du es als Erste.«
    Lügt sie? Nein, das glaube ich nicht.
Deine Sonja
. Ich freue mich. Auch wenn das nur wieder weitere Fragen aufwirft.
    Da ... fällt mir etwas auf. Dieser kleine Kringel über dem »i« kommt mir irgendwie bekannt vor. Ob es derselbe ist wie auf den Zetteln von unserem Theaterstück? Ich hab es nicht mit, um das zu vergleichen. Muss ich nachholen, sobald ich wieder zu Hause bin. Mann, hab ich einen Hunger!
    Würstchenduft liegt in der Luft. Die Jungs sind alle ums Feuer versammelt. Ich erkenne Daniels blonden Haarschopf. Der Einzige, der in unsere Richtung blickt, ist Finn. Unsere Blicke treffen sich. Er schaut mich an, nachdenklich, ja, ernst. Was er wohl denkt? Dass er gleich wieder mit mir

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