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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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in ein Boot steigen muss, mit einem Mädchen, das ihn ständig verfolgt und ihm nachspioniert?
    Ich schäme mich und wende mich ab.
    »Ist was?«, fragt Sonja.
    »Nein«, antworte ich. Ich lege das Buch weg und greife zur Sonnenmilch. »Ich glaub, die Würstchen sind noch nicht fertig.«
    Beim Essen versuche ich, mich mit Daniel zu versöhnen, allerdings weicht er mir ein wenig zu auffällig aus. Ich setze mich neben ihn, meinen Pappteller auf den Knien, aber er unterhält sich mit Willi, der auf der anderen Seite neben ihm sitzt, und bemüht sich offensichtlich, mich nicht zu beachten.
    »Daniel«, fange ich trotzdem an. »Können wir nicht ...?«
    »Was?«, fragt Daniel schroff. »Du siehst doch, ich unterhalte mich gerade. Ruf doch Tom an, der hat bestimmt gerade Zeit.«
    »Es war gar nichts«, beteuere ich mit gedämpfter Stimme, damit die anderen nichts mitkriegen. »Ehrlich.«
    »Ach ja?«
    Dummerweise werde ich rot. Woran merkt er bloß, dass ich schon wieder lüge?
    Kopfschüttelnd wendet Daniel sich wieder seinem Kartoffelsalat zu. Ich dagegen habe keinen Appetit mehr. Lustlos knabbere ich an einer Scheibe Baguette. Wie kann ich ungeschehen machen, dass ich Tom geküsst habe? Die Antwort ist: gar nicht.
    Schuldig im Sinne der Anklage. Warum muss ich bloß immer alles verderben? Irgendetwas stimmt nicht mit mir.
    Ein paar Hopis spielen mit einem Ball, den wir mitgebracht haben. Ich sehe ihnen zu, aber es ist wie ein Schleier über meinen Augen, ich nehme nichts wahr. Eine weiße Kugel, die durch die Luft fliegt, wie ein Mond, der vom Himmel stürzt. Erleichtert registriere ich, dass irgendwann alle wieder ihre Rucksäcke in die weißen Tonnen packen. Daniel schaut sich nicht nach mir um, als er in sein Boot steigt. Er scheint viel Spaß mit den anderen zu haben, sie lachen und benehmen sich wie ganz normale Jugendliche.
    Ein Kanu nach dem anderen legt ab, bis nur noch unseres übrig ist. Plötzlich kreischt jemand auf. Victoria ist im Wasser gelandet. Sie geht nicht unter, dank ihrer Schwimmweste, aber sie schreit und rudert wild mit den Armen. Lachend reichen Finn und Willi ihr die Hände und ziehen sie heraus.
    »Ich bin nass! Und meine Schuhe! Oh nein, meine Schuhe, die sind hin!«
    Ich finde, sie regt sich ein bisschen zu sehr auf. Dabei hat sie sich nicht mal die Frisur ruiniert.
    »Willst du dich schnell umziehen?«, fragt Willi.
    Hilfesuchend blickt Victoria sich um. Die Helfer sind noch nicht abgefahren, sie sammeln gerade die Grillgerätschaften ein. »Wo bitte schön soll ich mich denn hier umziehen?«
    »Im Gebüsch?«, schlägt Finn vor.
    »Ich passe auf, dass niemand guckt«, biete ich an.
    Aber Victoria reicht es. Sie will nur noch nach Hause. »Komm mit«, sagt sie zu Willi.
    Der Arme! Ich sehe ihm an, dass er lieber wieder ins Boot steigen möchte. Warum soll er keinen Spaß haben dürfen, nur weil sie tollpatschig war? Aber es hat keinen Zweck, ihr zu widersprechen. Er muss sich jetzt um sie kümmern. Mit langem Gesicht führt er sie zum Auto. Wie eine Schwerkranke, dabei ist sie bloß nass.
    »Willi ist ja richtig fürsorglich«, kichere ich.
    »Er hat keine Wahl.« Selbst Finn muss grinsen. »Dann wollen wir mal. Die anderen sind uns schon kilometerweit voraus. Holen wir die wohl ein?«
    »Klar«, versichere ich. »Denen zeigen wir, was wir können.«
    Eigentlich ist es mir ganz recht, dass wir das Kanu nun für uns haben. Ich wollte mich bei ihm entschuldigen. Vielleicht kann ich bei der Gelegenheit ein paar Fragen stellen, denn alles ist mir immer noch nicht klar. Wer hat denn nun die Briefe geschrieben?
    Doch zunächst müssen wir uns ranhalten, um den Vorsprung zu den anderen Booten zu verkleinern. Konzentriert arbeiten wir uns voran. Meine Schulter und meine Arme lassen sich kaum noch bewegen, aber ich gebe nicht auf. Der Fluss windet sich durch ein Wäldchen, das von hier aus wie ein richtiger Urwald wirkt. Tief hängen die Weiden über das Wasser. Blätter streifen mein Gesicht. Eine Kurve nach der anderen. Deshalb können wir die anderen nicht sehen, doch den Geräuschen nach zu urteilen, kommen wir ihnen unaufhaltsam näher.
    »Puh«, sagt Finn. »Jetzt ist mir aber warm. Können wir eine kleine Atempause einlegen?«
    »Es sieht nach Regen aus«, stelle ich fest, als ein Schatten über mich fällt. Wolken ziehen über uns hinweg, bedrohlich dunkel, von einem kühlen Wind gejagt. Ob wir es wohl bis zum Ziel schaffen, ohne nass zu werden? Möglicherweise war es doch keine so dumme

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