Naschmarkt
nach acht. Ich beobachte die Zeiger der Bahnhofsuhr, die sich präzise in einer Linie anordnen. Zum Glück steht Pünktlichkeit nicht auf meiner Top-Five-Liste, sonst hätte sich djfleming bereits disqualifiziert. Beim Gedanken an die Liste muss ich lächeln.
»So einen Mann gibt es nicht«, hat Stella meinen Blog-Eintrag vom Mittwoch kommentiert. »Du wirst nicht umhinkönnen, deine Ansprüche ein wenig herunterzuschrauben, wenn du nicht die nächsten dreißig Jahre vergeblich damit verbringen willst, ihn zu suchen, während die Haut an deinem Po langsam schlaff wird.
Besser fünf in der Hand als zehn, auf die man warten muss,
wie mir meine Oma immer vorgebetet hat.«
»Aber Stella, du hast selbst gesagt, dass man sich nach dem Kompass richten soll. Das Ziel im Auge behalten, egal, wie weit ich vom Kurs abkomme, das waren deine Worte. Mein Ziel ist es, einen Mann zu finden, den ich so lieben kann, wie er ist. Dazu ist es notwendig, dass er gewisse Kriterien erfüllt.«
Schließlich kann es nicht zu leicht sein, denn man trifft in der Liebe ja langfristige, womöglich lebenslängliche Entscheidungen. Verlieben ist etwas anderes als einen neuen Wasserkocher anschaffen. Und Beziehungen sind kein süßer Rooibostee.
Viertel nach acht. Die Zeiger der Uhr sind geknickt wie mein Herz. Im Pub ist es so leer, dass man Anthonys Schnarchen deutlich hören kann. Gedankenverloren starre ich den Kater an. Was für eine blöde Idee, dem Kompass zu folgen. Ich bin den Weg gegangen, jawohl. Schritt für Schritt. Ich habe den immer noch schmerzenden Knöchel in die Granny-Smith-Pumps gezwungen, mir einen Rock und eine Pastellbluse angezogen, die Lippen bemalt und mich dem Date gestellt. Und wozu? Nur um festzustellen, dass ich von Anfang an recht hatte: Liebe gibt es nur im Kopf, und mein Kompass bleibt spurlos verschwunden. Scheiße!
»Dotti?«
Ich sehe den Mann an, der neben meinem Tisch steht. Er probiert ein zaghaftes Lächeln.
»Darf ich mich setzen?«
Ich nicke, während meine Stirn sich automatisch in Falten legt. Er. Ausgerechnet er! Warum kommt es mir so merkwürdig vor? Habe ich es nicht die ganze Zeit insgeheim gewusst? Seit dem Moment, als er das Café Gloriette betreten hat.
»Es ist spät«, sage ich, als er mir gegenüber Platz genommen hat.
»Tut mir leid«, antwortet er und verschränkt die Hände. Seine Finger hinterlassen Spuren auf seinen Handrücken, ein Zeichen dafür, dass er versucht, sich zu beherrschen. Die Geste ist fremd und vertraut zugleich, wie etwas, das in einem Lieblingsfilm vorkommt, den man zu oft gesehen hat.
»Die ganze Geschichte tut mir leid. Ich hätte nie …«
»Eines verstehe ich nicht«, mein Hals ist trocken, und ich nicke Johnny dankbar zu, als er ohne ein Wort ein Glas Cider vor mich hinstellt, »wozu das Theater?«
»Sir?«,
Johnny sieht den Mann nicht besonders freundlich an.
»Ein Guinness. Kalt, bitte.«
Mein Gegenüber wartet, bis der Wirt sich entfernt hat, und nimmt dann meine Hand in seine.
»Vom ersten Moment an, als wir uns getroffen haben, hatte ich das Gefühl, dass wir seelenverwandt sind. Du hast meine Gedanken ausgesprochen wie niemand sonst. Und du hast sie aufgeschrieben. Dein Blog ist das Größte, was in diesem Land seit Jahren passiert ist. Und weißt du was, Dotti: Du bist die tollste Frau, der ich je begegnet bin. Ich …«, er errötet, was seinem Teint nicht gut bekommt. »Ich mag dich. Sehr.«
Solche Worte aus seinem Mund machen mich völlig wirr im Kopf. Was ist nur mit mir los? Sollte ich mich nicht freuen? Mich geschmeichelt fühlen? Spüren, wie ein paar Schmetterlinge unter meiner Bauchdecke flattern?
Ich betrachte seine Hände, die meine immer noch festhalten. Perfekte, schöne, starke Hände, die ein sorgenfreies und sicheres Leben versprechen.
Da fällt mir etwas ein.
»Warum Hornby?«
Er runzelt die Stirne und lächelt in etwa so wie George Clooney es tut, wenn er Menschen Kaffee verkaufen will. Attraktiv, charmant, aber irgendwie Hochglanz.
»Das ist doch jetzt nicht wichtig, Dotti. Viel wichtiger ist, dass wir an die Zukunft denken.«
Ich stehe auf und stolpere fast über einen Stuhl.
»Ist alles in Ordnung?«
»Ja, ja. Ich muss nur kurz aufs WC .«
»Du brauchst ein paar Minuten für dich, das verstehe ich.« Er zwinkert mir zu und tippt auf seine Armbanduhr. »Lass dir Zeit.«
»Ich bin gleich zurück, Ramy«, antworte ich automatisch.
Ich schaffe es gerade noch, die Klotür hinter mir zu schließen, bevor mir
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