Naschmarkt
Schlafzimmer verschwinden und es wechseln kann? Zum Glück ist es nicht Pu, der Bär. Dafür ist die Schmutzwäsche der letzten Woche überall auf dem Boden verstreut. Und wenn mich nicht alles täuscht, liegt auf dem Nachtschränkchen etwas äußerst Peinliches, das Ramy keinesfalls unter die Augen kommen darf.
»Tee vielleicht? Kaffee? Schokolade?«
»Hast du Wodka?«
Seine Stimme ist rauh, wie die des Grimmschen Wolfes, ehe er Kreide frisst. Verzweifelt suche ich nach einem Gesprächsthema. Wo sind die witzigen Anekdoten, wenn man sie braucht? Ramy schweigt und studiert die Titel in meinem Bücherregal.
»Leider nein. Aber Amaretto müsste noch irgendwo sein. Setz dich doch.«
»Amaretto«, meint Ramy wenig überzeugt. Er steuert die Couch an. Gerade als er Platz nehmen will, springt der Kater, der sein Futter nicht angerührt hat, hinauf und drapiert sich dort, wo Ramy sitzen wollte.
»Du bist aber ein schöner Kater«, sagt Ramy und streckt die Hand aus, um Neko zu streicheln. Der Kater antwortet mit einem Knurren aus tiefster Kehle, visiert den Mann aus schmalen Augenschlitzen an, um dann in aller Seelenruhe seine weiße Schwanzspitze zu putzen. Ramy sieht ihm einen Moment dabei zu und lässt sich schließlich am anderen Ende des Sofas nieder.
»Der Kater mag mich nicht«, meint er betrübt.
»Unsinn. Er riecht bestimmt deine Katze.«
»Meinst du?« Er schnüffelt an seinem Hemd.
»Neko mag keine Artgenossen.«
»Chiara auch nicht.«
Ich erinnere mich vage an die hübsche Maine-Coon in Ramys Brieftasche. »Ich glaube, bis auf gelegentlichen Sex finden Katzen grundsätzlich wenig Gefallen aneinander.«
Wir sehen uns an. Ein sonderbares Knistern breitet sich aus. Eilig stelle ich die Flasche Amaretto sowie zwei Gläser auf den Couchtisch und setze mich ebenfalls. Nun liegt der Kater genau zwischen uns, was ihm offensichtlich Vergnügen bereitet, denn er schnurrt lautstark. Ich lächle Ramy an, gieße Amaretto ein und reiche ihm ein Glas. Er mustert die Flüssigkeit skeptisch, lächelt ein bisschen gequält zurück und trinkt sie mit einem einzigen großen Schluck aus. Sein entsetzter Gesichtsausdruck zeigt mir, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich rieche an meinem eigenen Glas und begreife, dass heute mit Sicherheit der beschissenste Tag meines Lebens ist.
»Was … was war das?«, keucht Ramy und hustet mit tränenden Augen.
»Malzessig«, antworte ich, ebenfalls den Tränen nahe. »Meine Mutter macht ihn selbst. Ich … ich habe vergessen, dass sie ihn in eine Amarettoflasche gefüllt hat. Es … es tut mir leid!«
Er schüttelt den Kopf und hebt beschwichtigend die Hand.
»Schon gut, Dotti. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Amaretto so viel besser gewesen wäre.«
Sein Humor ist zurück. Zum Glück. Mit immer noch feuchten Augen schenkt er mir einen tiefen Blick, bei dem bestimmt auch Malzessig ersüßen würde. »Ich finde, wir sollten …«
»Pst!«
»Wir sollten …«
»Psssst! Nicht bewegen!«
»Was …?«
Ich mache Ramy ein Zeichen, dass er still sitzen soll. Verwirrt sieht er mich an, doch nun ist nicht der Moment, ihm irgendetwas zu erklären. Genau genommen ist jetzt endlich der Augenblick gekommen, auf den ich seit Jahren gewartet habe. Der Wunsch ist größer als alle Bedenken. Mit vor Aufregung zitternden Beinen stehe ich langsam auf und nähere mich Ramy. Ich gebe mir Mühe, möglichst elfenhaft über das Parkett zu schweben, bin mir aber der Plumpheit meines Körpers nur allzu bewusst.
Nur mit der Ruhe, nichts überstürzen.
Als ich mich vor dem Radiomoderator auf die Knie sinken lasse, reißt er überrascht die Augen auf und will etwas sagen, doch ich bedeute ihm energisch, bloß den Mund zu halten. Jedes Geräusch könnte den vollkommenen Moment zerstören. Auf Ramys Gesicht macht sich ein seliges Lächeln breit. Er schließt die Lider und lehnt sich zurück. Jetzt nur nicht zögern. Attacke!
Mit geübtem Griff fische ich das iPhone aus meiner Handtasche, die neben der Couch auf dem Boden gelandet ist, öffne das Fotoprogramm, tippe aufs Display und drücke ab. Es klickt. Gewonnen.
Ich reiße die Arme in die Höhe. Der Kater, der, seine weiße Schwanzspitze malerisch zwischen den Pfoten, eingeschlafen ist, springt ertappt auf, faucht, fährt die Krallen aus und schlägt sie wütend in Ramys Oberschenkel sowie – o nein! – in die deutliche Erhebung, die sich dort abzeichnet. Ramy flucht und versucht, den Kater wegzuschieben, doch Neko krallt sich nur noch
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