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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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denn, dass ich es jetzt lesen will?«
    »Es eignet sich auch für andere Zwecke«, meint er mit ernster Miene.
    »Man könnte es als Fußstütze benützen.«
    »Zum Beispiel. Oder Origamivögel draus machen.«
    Gegen meinen Willen zucken meine Mundwinkel. Ich schlage das Buch auf und studiere die Widmung, die er hineingeschrieben hat.
     
    »Einen Sampler machen, das ist wie einen Brief schreiben oder sich verlieben. Es wird viel gelöscht, überdacht und neu begonnen.« (Nick Hornby)
     
    Für icherzählerin von djfleming.
    Mit zitternden Fingern ziehe ich die Buchstaben nach.
    »Was hältst du davon, wenn wir dem Buch einen schönen Platz im Regal suchen? Damit es sich da einreiht, wo du zu Hause bist, Dotti.«
    Er nimmt meine Hand und führt mich in Lady Lydias kleine Bibliothek. Den Trubel, der im Lokal herrscht, und das allgemeine Stimmengewirr lassen wir hinter uns, als wir zwischen den Buchreihen verschwinden. Vor dem hintersten Regal bleiben wir stehen. Glahnz streicht liebevoll über die Buchrücken, als wären es kostbare Schätze in einem unterirdischen Geheimversteck. Ich mustere ihn unauffällig von der Seite. Beim Lesen der Titel und Autorennamen bewegt er die Lippen, und ich stelle fest, dass das meine Mundwinkel schon wieder zucken lässt.
    »Was?«
    »Dein Protagonist, Feit Gold. Also ist sein Problem, dass er sich verliebt, obwohl er der Liebe abgeschworen hat?«
    »Ja.«
    »Woher weiß er, dass er verliebt ist? Ich meine, man steht doch nicht da und ist vom einen zum anderen Moment total verändert.«
    Er kratzt sich nachdenklich am Kopf.
    »Es hat nichts mit Veränderung zu tun. Mehr mit dem Gras im Betonriss. Man sieht es nicht wachsen, aber es wächst, egal, ob es dort hingehört oder nicht.«
    Wir sehen uns an. Mein Magen fährt Achterbahn.
    »Zwischen Shakespeare und Wilde, das ist ein guter Platz«, meint er mit erhobenen Brauen und macht Anstalten,
Amors Feder
ins Regal zu stellen. Ich halte seinen Arm fest.
    »Auf keinen Fall! Englische Dramatiker.«
    »Wilde hat nicht nur Dramen geschrieben. Was ist mit
Dorian Gray?
Und Shakespeares Sonette über die Liebe?«
    »Es sind immer noch Engländer«, werfe ich ein und funkle ihn kampflustig an.
    »Also gut. Dann vielleicht hier, zwischen Bulgakov und Dostojewski?«
    »Bei den Russen? Kommt nicht in Frage. Dieses Regal besitzt eine Ordnung, Herr Glahnz!«
    »Was hat denn die Nationalität mit dem Inhalt zu tun? Bulgakov und Dostojewski sind ebenso weit voneinander entfernt wie Shakespeare und Wilde.«
    »Das mag schon sein. Aber irgendeine Ordnung muss es geben.«
    »Intuitiv, gnädige Frau! In meiner perfekten Bibliothek sind die Bücher von den Lesern geordnet. Da findet sich Bulgakov zwischen Ende und Murakami, ob er will oder nicht.«
    Ich schnaufe entrüstet.
    »Was soll das für eine Ordnung sein?«
    »Die Ordnung der Phantasie. Wo würdest
du
mich denn einordnen?«
    »Deutschsprachige Belletristik, Liebesroman, Bestseller, G, also zwischen Gier und Glattauer. Hier!« Ich tippe auf eine Stelle in der Mitte des Regals. Er macht große Augen.
    »Dazwischen fühle ich mich schmal und zusammengedrückt. Wie David zwischen Goliath-Zwillingen. Willst du nicht gleich Frau Rowling auf mich drauflegen?«
    »Also, pass mal auf …«
    Er küsst mich. Der nicht unangenehme Duft von Rasierwasser hüllt mich komplett ein, und mein sonst so unbeugsamer Körper verliert die Kontrolle über das Herzklopfen. Seine Locken kitzeln mich an der Stirn, doch statt sie fortzustreichen, vergrabe ich meine Hände in seinem Haar. Es fühlt sich an wie ein warmer Sommertag unter Birken, die im Wind rascheln. Kein anderes Gefühl, kein anderes Geräusch ist da in meinem Kopf, nur die Bücher um uns, die Birken im Wind und der Mann, der mich im Arm hält. Statt sich von mir zu lösen, dreht er mich sanft ein Stück, bis ich mit dem Rücken zum Bücherregal stehe und wir uns noch fester aneinanderklammern. Als ginge es darum, wie zwei Baumkronen zusammenzuwachsen. Als sich unsere Lippen trennen, fühlt es sich tatsächlich so an, als wäre Blütenstaub von ihm in mir. Knospen sprießen um uns herum. Und das ist nicht unangenehm.
    Ich nehme ihm
Amors Feder
aus der Hand, schlage es in der Mitte auf und atme den Geruch nach Papier und Druckerschwärze ein. Vermischt mit einem Hauch seines Duftes. Dann klappe ich es zu und schiebe es ins Regal. Florian studiert die Namen auf den Buchrücken da wo es steht, lächelt und sagt:
    »Zwischen Fforde und Hornby? Also darf ich doch

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