Naschmarkt
zu den Engländern?«
»Jawohl, djfleming.«
Er küsst ganz sanft die Stelle hinter meinem rechten Ohrläppchen und streicht mir übers Kinn.
»Ah, da bist du,
Darling!
«
Lady Lydia steht so plötzlich vor uns, als wäre sie dem Bücherregal entstiegen.
»Gurkensandwich?«
Sie hält uns ein Tablett mit in Herzform arrangierten Schnitten hin.
»Vielen Dank, Lady Rocksbridge«, sagt Florian artig und schiebt sich ein Sandwich in den Mund. Meine Mutter strahlt ihn an.
»So ein Gentleman«, schwärmt sie zu mir gewandt. »Obwohl ich ihm immer noch böse bin, dass er in meinem Lokal war und sich nicht erkenntlich gegeben hat.«
»Zu erkennen, Mummy.«
»Ja, das auch.« Lady Lydia lächelt glücklich. »Übrigens,
Darling,
hier ist die List!«
»Was für eine List?«
»Die Mauerblümchenlist.«
Sie überreicht mir drei zusammengeheftete Blätter Papier voller Namen.
»Alle diese Leute wollen Mitglieder im Mauerblümchenclub werden. Mein Name steht ganz oben«, ergänzt sie.
Verblüfft starre ich auf die vielen Unterschriften, bestimmt über fünfzig. Es sieht so aus, als käme jede Menge Arbeit auf mich zu.
»Ich will nicht länger stören«, flötet Lady Lydia, blinzelt Florian zu und tänzelt zurück zu ihren Gästen. Ich sehe ihr nach, und als ich mich wieder Florian zuwende, hält er etwas in der Hand. Eine schlichte, weiße, eckige Dose mit einem roten Herz in der Mitte.
»Was ist das?«
»Mach es auf!«
Mit zitternden Händen öffne ich die Schachtel. Auf einem Samttuch sind in goldener Schrift die Worte
JUWELIER KUPPITSCHEK
zu lesen. Ich sehe Florian fragend an. Er entfernt lächelnd das Tüchlein. Ich muss einen Freudenschrei unterdrücken. Denn darunter kommt meine verloren geglaubte
Beads
-Uhr zum Vorschein.
»Damit du nicht mehr nach der Zeit suchen musst.«
»Also bist wirklich du es gewesen in der Oper? Als ich auf der Treppe gestürzt bin und die Kontaktlinsen gesucht habe.«
Er nickt. Mir wird ganz schwindelig.
»Aber wie hast du mich bei
Literally in Love
gefunden?«
»Nun ja, du warst so hochnäsig am Telefon mit deinen nicht-stummen Hs. Du hast vergessen aufzulegen, so konnte ich aufschnappen, dass du dich bei dieser Datingplattform anmelden wolltest. icherzählerin.«
Er grinst. »Also habe ich mich ebenfalls angemeldet. Wir sind uns auch vor der Oper schon begegnet. Kannst du dich erinnern?«
Ich sehe ihn ungläubig an.
»Sie daten wohl nicht so häufig«, sagt er und schiebt sich einen fiktiven Hut tief in die Stirn. Natürlich! Humphrey Bogart in der Bar, als mir Rita das Daten beigebracht hat.
»Genau hier habe ich zu dir gesagt, dass sich womöglich eine gute Geschichte in Reichweite befindet …«
»… und mir anschließend einen Song im Radio bestellt.«
»Der Moderator hielt mich für verrückt. Ein Kinderlied? Niemals. Aber er hat dann eine Folkversion gefunden, von Rani Arbo und Daisy Mayhem.«
»Und der Pferdekopf«, sage ich leise. »Der warst du auch.«
Er nickt. »Ich habe am 31 . Oktober beim
Österreichboten
angerufen. Dein Kollege Lorenz war sehr gesprächig und meinte, du seist schon auf dem Weg zu einer Halloweenparty, und er müsse da ebenfalls demnächst hin.« Florian lacht.
Ich hole aus, um ihm die Schachtel aus der Hand zu schlagen. Die vergangenen vierzehn Tage schwappen über mir zusammen.
Es war alles nur ein Spiel.
Ein Spiel, um die spöttische Rezensentin zu ärgern.
Er fängt meine Hand auf und hält sie fest.
»Dotti, warte, hör mir zu. Als ich dich in der Oper gesehen und erkannt habe, dass die spöttische Stimme zu dem Gesicht aus der Bar gehört, war ich verunsichert. Da stand die Frau, die mich immer wieder abgewiesen hat. Die mein Buch für Schund hält, ohne es gelesen zu haben. Die mir permanent zeigt, wie wenig sie mich leiden kann. Und die mich am Telefon regelmäßig anfährt.«
Ich spüre einen festen Stich in der Brust. Scham brennt auf meinen Wangen. Aber Florians Augen ruhen unverändert auf mir.
»Dabei habe ich nur dauernd angerufen, weil ich mich längst in die Stimme verliebt hatte. Das haben wir gemeinsam, Feit und ich. Die Nummer eins der Dinge, die ich an Dotti mag: Ihre Stimme ist ihr immer einen Schritt voraus.« Er strahlt. »Und die Frau mit der Stimme stand vor mir und war plötzlich so unsouverän. So verletzlich. Ich wollte sie in den Arm nehmen. Aber so schnell, wie sie da war, war sie auch wieder weg. Doch sie hat etwas verloren.«
»Die Uhr«, sage ich tonlos.
»Das war mein einziger Anhaltspunkt.
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