Naschmarkt
gutgemeinten Rat, Frau Wilcek, in aller Freundschaft. Setzen Sie Ihren Kater auf die Straße, tragen Sie Ihre Bücher ins Antiquariat, werfen Sie die Kuscheltiere auf den Müll, und kaufen Sie sich stattdessen ein paar hübsche Röcke mit Seidenstrümpfen für darunter. Mischen Sie sich unter normale Menschen. Dann wird das schon.«
Mit einem kaum merklichen Nicken des Kopfes stolziert sie aus dem Büro. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fällt, versagt meine Firewall. Eine große, graue Fehlermeldung blinkt vor meinem inneren Auge:
Herz konnte nicht gestartet werden. Einige Komponenten fehlen oder sind beschädigt. Installieren Sie das Programm neu und wenden Sie sich gegebenenfalls an den Systemadministrator. Sie sind so was von im falschen Roman!
Montag, 10 . Oktober
»Du klickst hier rechts auf ›Einstellungen‹, dann kommst du zum Hauptmenü. Zuerst brauchst du einen Titel. Am besten etwas, das
catchy
ist, oder? Dotti? Träumst du?«
Ich schiebe die Erinnerung an das böse F-Wort beiseite, die das gesamte Wochenende wie kalter Zigarettenrauch in meinen Kleidern und Haaren festhing.
Frigide,
wisperten meine dicken, flauschigen Wollsocken, bis ich sie auszog und barfuß durch die Wohnung lief.
Frigide,
spottete mein überfülltes Bücherregal vielstimmig mit den vorwurfsvollen Stimmen leidenschaftlicher Heroinen in Seidenstrümpfen. Ja, sogar der Kater sah mich misstrauisch an, als beleidigte dieser neue,
frigide
Geruch seine feine Nase.
»Wie soll dein Blog heißen?«
»Hm?«
»Der Titel, die Headline, die Überschrift deiner Datingkolumne?«
Lorenz’ Tonfall zeigt erste Anzeichen von Genervtheit. Eineinhalb Stunden lang hat er mir mit Engelsgeduld die Features des Weblogs erklärt, mich in so wichtigen Dingen wie
Tags, Labels, Feedreadern
und
Gadgets
unterwiesen, während meine Gedanken nur um eine einzige Sache kreisten.
»Wie wär’s mit
Tagebuch eines frigiden Kampfsingles?
«
Lorenz macht große Augen, tippt aber gehorsam den Text in den Laptop.
»Spinnst du?« Ich lösche die Zeile und vergrabe meinen Kopf in den Händen. Die letzten drei Tage waren die Hölle. Jedes Buch, das ich aufklappte, versprach haufenweise Liebe und Sex. Im Fernsehen flimmerten weich gezeichnete Bilder irgendeiner Fürstenhochzeit, ehe in der Vorabendsoap geküsst wurde, was das Zeug hielt.
Sogar der Discovery Channel zeigte eine Dokumentation über das Sexualverhalten des Steinmarders –, was mich zu der Erkenntnis brachte, dass die Unterhaltungsindustrie mit den Flirtplattformen unter einer Decke stecken muss. Inklusive der Blumenmafia.
Flirtrop
für Anfänger. Außerdem rief meine Mutter alle zwanzig Minuten an. Sie ließ es sich nicht nehmen, mir dazu zu gratulieren, dass ich sie endgültig vor ihrer gesamten Kundschaft lächerlich gemacht hatte. Seit Freitagfrüh waren diverse stadtbekannte Tratschtanten, die sonst nur bunte Zeitschriften mit fetten Überschriften lasen, mit dem
Österreichboten
in den Händen im
Lady’s Pies & Pages
ein- und ausmarschiert.
Diese Kröten hatten literweise Leitungswasser konsumiert und die arme Lady Lydia nach ihrer missratenen Singletochter ausgefragt. Auch einige »durchaus ansehnliche junge Gentlemen«, wie Lydia es spitz formulierte, schienen ihr Interesse bekundet zu haben, sich mit mir zu verabreden. Und – das entnahm ich dem guten Dutzend Sprachnachrichten auf meiner Mobilbox sowie zahllosen SMS – meine Mutter hat ihnen allen meine Visitenkarte gegeben. Wie fürsorglich. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass sie demnächst ein Plakat ins Schaufenster hängt:
Tochter zu vergeben. Intelligent, tierlieb, häuslich, doch leider immer noch nicht unter der Haube.
»Wir könnten den Blog auch
Wer braucht Männer, wenn es Mütter gibt
nennen.«
Lorenz beißt sich auf die Lippen, legt die Stirn in Falten und denkt darüber nach.
»Das war ein Scherz, oder?«, fragt er schließlich mit einem ähnlichen Gesichtsausdruck wie Mister Spock, wenn es um das weibliche Geschlecht geht. Faszinierend.
»Worüber willst du in deinem ersten Blog überhaupt schreiben?«
»Über Mister Spocks Liebesleben.«
»Weil Vulkanier nur alle sieben Jahre Sex haben?«
»Nein, weil sie dazwischen keine Romane, Telenovelas oder Musikstücke darüber produzieren.«
»Was hast du gegen Musik?«
»Ich hasse Musik. Es geht immer nur um die Liebe, in jedem einzelnen Popsong, den ich je gehört habe. Liebe und Triebe,
love and dove,
Lust und Frust,
kiss and miss,
Herz und Schmerz,
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