Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
Vom Netzwerk:
bis zum Redaktionsschluss ist knapp.«
    Meine knackige UPS -Seifenblase zerplatzt schlagartig.
    »Eine Kolumne? Sagten Sie nicht gerade …«
    »Das Leserfeedback.«
    »Was?«
    »Das war Loidolt vom
Online-Boten.
Die Resonanz auf Ihre Kolumne ist enorm. Ihr Text stand als Feature auf der Startseite der Homepage und hat bereits dreihundert Kommentare und über tausend
Gefällt mir-
Wertungen auf Facebook. Mir fällt dafür zwar keine plausible Erklärung ein, doch anscheinend ist die Anzahl der Zugriffe so hoch, dass die Diskussionen sogar vorübergehend den Server lahmgelegt haben.«
    »Aber Pohl …«
    »Pohl hat keine Ahnung. Es wäre besser, wenn wir bereits ein Ass im Ärmel hätten, wenn ihn die Nachricht erreicht. Was vermutlich«, sie blickt auf ihre Uhr, »genau in diesem Moment geschieht.«
    »Aber worüber soll ich denn schreiben?«
    Sorina Loos’ Zitronenblick wird abgelöst von einem achtzigprozentigen Bitterschokoladelächeln.
    »Schreiben Sie über das, was Sie am besten kennen. Schreiben Sie über Menschen wie sich: frigide Kampfsingles in Turnschuhen. Das scheint anzukommen.«
     
    Das tut es. Eine halbe Stunde später starre ich immer noch fassungslos auf meinen E-Mail-Posteingang. Im Minutentakt erreichen mich die Nachrichten von fremden Menschen, die sich, durch meine Kolumne ermutigt, endlich zum
Pluskatze
oder
Plushund
bekennen. Einer schrieb stolz
Plusfrettchen. Literally in Love
verzeichnet fast fünfhundert neue Anmeldungen in nur vier Stunden. Doch das ist nichts verglichen damit, was sich in den Foren des
Online-Boten
abspielt. Dort ist eine heftige Diskussion entbrannt, welche Lebensweise meine Kolumne suggeriert. Zwei Lager streiten erbittert darüber, ob ich nun die neue Repräsentantin der Emanzipation oder eine frustrierte alte Jungfer bin. Ein regelrechter virtueller Krieg ist ausgebrochen, und die Arbeit in der gesamten Redaktion steht still, denn alle verfolgen das Gefecht.
    Ich klicke mich durch die Welt der sozialen Medien und kann es nicht glauben, dass sich da draußen Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen von einem einfachen Rechenbeispiel dermaßen infizieren lassen. Es kursieren bereits Entwürfe für T-Shirt-Designs mit »Pluskatze«, »Plushund« und » 1 +Katze«. Der Hashtag
#pluskatze
trendet bei Twitter. Ich schwöre bei Nekos Leben, ich hätte nie damit gerechnet, dass mich irgendjemand ernst nehmen oder gar zitieren würde.
    Plötzlich ist draußen auf dem Gang lautes Stimmengewirr zu hören. Noch ein Kriegsschauplatz? Ich schleiche vorsichtig zur Tür und halte den Atem an, um nur ja kein Wort zu verpassen.
    »Werte sind mir scheißegal«, vernehme ich die Stimme von Alfons Pohl. »Die Auflage interessiert mich, sonst nichts.«
    Der Chefredakteur des
Österreichboten
schnauft hörbar, während eine leisere Frauenstimme etwas erwidert. Er ist ein Mann von geringer Körpergröße und mit schütterem Haar, doch in ihm tickt eine höchst explosive Energiebombe.
    »Anna-Maria«, brüllt er, worauf ich hektisches Schuhgeklapper von Pohls Assistentin höre. Sie heißt Ulrike Plasnitsch, doch nachdem Pohls erste Assistentin Anna-Maria hieß, nennt er seither aus Bequemlichkeit jede ihrer Nachfolgerinnen genauso.
    »Zehn Minuten. Mein Büro.«
    Die Plasnitsch entfernt sich im Laufschritt. Die leise Frauenstimme redet einstweilen weiter auf Pohl ein. Sosehr ich mich anstrenge, ich kann sie nicht verstehen.
    »Es reicht«, fährt Pohl ihr ins Wort. »Das ist immer noch meine Entscheidung. Ich werde das mit Frau Wilcek klären.«
    Mir schwant Böses. Ich haste zurück zu meinem Schreibtisch und schaffe es gerade noch, konzentriert auf meinen Computermonitor zu blicken, als hätte ich die ganze Zeit nichts anderes getan, als meine Bürotür schwungvoll aufgerissen wird.
    »Schreiben Sie schon an der nächsten Kolumne, Frau Wilcek?«
    Pohl tritt neben mich, und wir betrachten beide andächtig die bunten Linien des Bildschirmschoners, die sich über die Fläche von fünfzehn Zoll ausbreiten. Augenblicklich spüre ich die verdammte verräterische Hitze in meinen Wangen. Kann ich mich nicht heimlich schämen wie andere auch? Ich stelle mich auf die Standpauke ein, die nun über mich hereinbrechen wird.
    Ich habe Pohl immer gemocht und respektiert. Er ist trotz seines Egos ein hervorragender Journalist, und seine Anerkennung gehört zu den Dingen, die auf Dottis Wunschliste ganz oben stehen. Gleich hinter dem Pulitzer-Preis und einer Ganzkörpermassage von Patrick Dempsey. Patrick

Weitere Kostenlose Bücher