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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Witze?«
    »Du wirst es nicht glauben, aber ich beherrsche die Grundregeln des gesellschaftlich akzeptablen Humors.«
    In dem Moment öffnet sich meine Bürotür erneut, und Stellas Lockenkopf erscheint im Türspalt.
    »Liebst du schon oder lebst du noch?«, fragt sie grinsend.
    Lorenz und ich sehen uns an, sehen Stella an und platzen gleichzeitig heraus:
    »Stella, du bist ein Genie!«
     
    Ich kenne Stella Charydis seit fast sechs Jahren. Die mollige, vollbusige Griechin schreibt jeden Samstag eine beliebte Erotikkolumne im
Österreichboten
und ist meine goldigste Kollegin, engste Freundin und nebenbei eine der besten Kundinnen meiner Mutter. Sie ist süchtig nach Mince Pies sowie Lady Lydias spezieller Earl-Grey-Mischung – dafür hat sie uns sogar das geheime Moussaka-Familienrezept von Oma Charydis überlassen.
    Laut Stella lässt sich die Männerwelt in drei Kategorien einteilen: die Männer, die man gern hätte und nicht kriegt, die, die man nicht will und bekommen könnte und die winzige Restmenge, mit der man als Kompromiss im Bett landet. Stella nennt sie Alpha, Beta und Gammler. Seit drei Jahren liegt sie mir damit in den Ohren, dass es nicht gesund ist, nicht zu daten.
    »Du musst sie ja nicht behalten, aber wenigstens bis zum Orgasmus gestatte ihnen zu bleiben«, hat sie mir unlängst erst erklärt. »Kein Sex ist auch keine Lösung!«
    Ich lasse Lorenz mit der Einrichtung meines Blogs, der nun »Liebst du schon oder lebst du noch?« heißt, allein und ziehe mich mit Stella in ihr Büro zurück.
    Nicht jeder Redakteur des
Boten
hat ein so geräumiges Büro. Böse Zungen unterstellen ihr seit Jahren, dafür mit Pohl im Bett gewesen zu sein, was allerdings ein Gerücht ist. Richtig hingegen ist, dass Stellas dreißig Quadratmeter früher die Heimat der Esoterik-Abteilung waren. Nachdem die angeblich bei einer missglückten
Witchboard
-Session ein paar Geister aufweckten, die sich seither beharrlich weigern, das Redaktionsgebäude zu verlassen, nutzte Stella, die praktisch mit Aberglauben aufgewachsen ist, die Gunst der Stunde: Mutig bezog sie das verwünschte Büro und hält seitdem den Mythos aufrecht, dass es dort spukt. Die Geister nennt sie
Poseidon
und
Odysseus
oder kurz
Possy
und
Oddy.
Keiner macht ihr den Raum streitig, trotz des Panoramafensters und der gemütlichen Sitzecke, die aus Restbeständen der Esoteriker eingerichtet ist wie ein buddhistischer Tempel.
    »Also«, beginnt meine Freundin, nachdem sie uns zwei Tassen Tee aus einem riesigen Samowar eingeschenkt hat, »jetzt erzähl mal ein paar Schwänke vom Datingmarkt.«
    »Da gibt es nichts zu erzählen. Ich date nicht.«
    »Das wirst du aber müssen.«
    »Wieso?«
    Automatisch taste ich nach dem kleinen Vogel an meiner Uhr. Wie jedes Mal beruhigt mich die Berührung mit der Metalloberfläche. Als gäbe der Kompass meinem Kopf wieder eine Richtung, und ich könnte irgendwo in der Ferne ein Ziel sehen.
    Stella zückt die aktuelle Wochenendbeilage des
Boten.
Ich hatte noch gar keine Zeit, sie zu lesen.
    »Hier, bitte, Seite zwölf unten.«
    Stella reicht mir die Beilage. Ich suche die entsprechende Stelle und erstarre. Das Licht verglüht. Eine halbseitige Anzeige von
Literally in Love,
dort, wo normalerweise die Buchtipps der Woche aufgelistet sind. Doch nicht das ist das Schockierende. Viel mehr befinde ich mich Auge in Auge mit meinem eigenen, entsetzlich retuschierten Porträt, das auf die Schultern eines C-Cup-Models im pinkfarbenen Cocktailkleidchen montiert wurde. Das Model-Ich tippt an einem mit Strasssteinchen besetzten Notebook, und aus meinem Retuschekopf wächst eine Sprechblase, in der sich ebenfalls pinkfarbene Herzchen türmen. Darunter steht in fetter Schrift:
     
    DOTTI DATET!
    Der neue spritzige Flirt-Blog von und mit Dotti Wilcek.Ab Montag im Online-Boten.Eine Frau auf dem Weg zum Happy End.Dank LITERALLY IN LOVE.
     
    Das Ganze erinnert verdächtig an die Cover einer dieser schmalzigen Frauenromane, die mir seit jeher verhasst sind, nur dass die großbusige Dotti hier nicht auf der Jagd nach Schuhen, sondern nach Männern ist! Es gibt nur einen Menschen, der etwas derart Übles an dieser Stelle plaziert haben kann …
    »Die Loos!« Das ist das Einzige, was ich zwischen fest zusammengebissenen Zähnen herausbringe. Die Rache der loosen Skandalnudel. Kaum hat sie ihre Nagellackhand auf meinem Ressort, wirft sie meine Buchtipps kurzerhand raus und ersetzt sie durch diese unterirdische Anzeige.
    »Nimm einen Schluck

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