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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Dempsey?
Patrick Dempsey???
Was ist bloß heute mit mir los? Erst der UPS -Bote und jetzt Dempsey. Eine akute Erotomanisierung von Hirngespinsten?
    »Ich habe darüber nachgedacht, Herr Pohl. Es wird keine weitere Kolumne geben. Das ist wirklich nicht mein Spezialgebiet, und ich will mich wieder auf die Literaturredaktion konz…«
    Pohl legt mir eine Hand auf die Schulter und dreht mich zu sich, so dass er mich aus seinen grauen Augen fixieren kann. Er ist einer jener Männer, für die eine tägliche Rasur von großer Bedeutung ist. Kein einziger verirrter Bartstoppel ziert seine markanten Wangen, und ein feiner Duft von Aftershave liegt in der Luft, als er mich anlächelt.
    »Was wollen Sie?«
    Ist das die neue Modefrage in dieser Redaktion?
    Er seufzt.
    »Ich habe mich geirrt. Zum ersten Mal in meiner Zeit als Chefredakteur dieser Zeitung habe ich die Leser nicht richtig eingeschätzt. Können Sie mir einen Vorwurf daraus machen? Wer rechnet denn damit, dass ein paar konfuse Zeilen über die Vorteile des Singledaseins Tausende Menschen derart in ihren Bann ziehen? Ich dachte zeitlebens, die ganze Frauenwelt sei darauf aus, sich unter die Haube zu bringen.
    Aber anscheinend haben Sie einen Nerv getroffen. Darum bitte ich Sie, nicht als Ihr Vorgesetzter, sondern als Ihr Mentor, der Sie immer gefördert hat: Schreiben Sie über
Literally in Love.
Machen Sie das ultimative Datingexperiment. Geben Sie den Menschen da draußen, was sie von Ihnen erwarten. Enttäuschen Sie sie nicht! Enttäuschen Sie
mich
nicht!«
    Ich stelle ihn mir kurz als Trainer der Fußballnationalmannschaft vor, im Jogginganzug, mit einem für seine geringe Größe viel zu voluminösen Ball unter dem Arm. Das Team liegt null zu vier hinten, doch in Pohls funkelnden Augen lebt der Siegeswille.
    »Nein.«
    »Frau Wilcek, ich will offen sein.
Literally in Love
hat uns viel Geld für eine Fortsetzung Ihrer Berichterstattung geboten. Das ist ein sehr potenter Anzeigenkunde. Sie werden natürlich partizipieren. Ich bezahle Sie pro Wort, zusätzlich zu Ihrem Gehalt, das ich ebenfalls erhöhen werde. Was sagen Sie?«
    Die zweite potenzielle Gehaltserhöhung an einem einzigen Vormittag. Das kann nur ein besonders hartnäckiger Fall von Kopfkino sein. Ich sehe die wilde Entschlossenheit im grauen Nebel von Pohls Augen aufblitzen. Dort lauert der eiskalte Geschäftsmann, der die Chance auf die ganz große Story wittert. Die
eine
Story, auf die der Medienmensch wartet, das Stück Sensation, das die Aufmerksamkeit der gesamten Nation einbringt. Natürlich geht es jedem Journalisten darum, in hoher Auflage gelesen zu werden. Wir sind alle öffentlichkeitsgeil. Der Preis dafür ist nicht selten die Aufgabe von Prinzipien. Aber ich bin Dotti Wilcek, und mich kann man nicht kaufen.
    »Kolumnen sind megaout.«
    Pohl dreht sich abrupt um, und ich folge seinem Blick. In der offenen Bürotür lehnt Lorenz mit verschränkten Armen. Wie lange steht er schon da? Als mein Kollege das wütende Gesicht des Chefredakteurs sieht, wird er blass und bemüht sich um seine typische stramm-durchsichtige Haltung.
    »Ich … also … was ich sagen will … Blogs sind die neuen Kolumnen.« Als Pohl zu schnaufen beginnt, fährt Lorenz hastig fort. »W…Wenn es heutzutage um ein heißes
Topic
geht,
bloggt
man, oder man
twittert,
wenn es
short
sein soll. Wenn man es in die
Newsfeeds
und
Timelines
der Masse schafft, ist man wirklich
up to date.
«
    Ich höre bereits ein Raubtiergrollen in Pohls Kehle aufsteigen und sehe eine Szene wie aus einer Dokupedia-Folge über die Nahrungsaufnahme von Königstigern vor mir, mit Lorenz als dämliche Gazelle und Pohl als wilde fleischfressende Bestie (seltsamerweise immer noch im Trainingsanzug).
    »Kanzler«, bellt mein Chef, »Sie sind ein Genie!«
    Ich werde jäh aus der Savanne gerissen.
    »Ein Blog, das ist es. Ein Dating-Blog im
Online-Boten.
Schließlich hat die Diskussion im Netz begonnen. Das ist perfektes Zielgruppenmarketing. Klemmen Sie sich sofort mit Loidolt dahinter. Ich will Werbung dafür in allen einschlägigen Foren und sozialen Netzwerken sehen. Der Blog muss spätestens Montag starten, und wenn Sie das ganze Wochenende dran sitzen.«
    Lorenz gelingt es irgendwie, mit den Augenbrauen zu salutieren, bevor er im Marschschritt mein Büro verlässt.
    »Darf ich dazu vielleicht auch noch was sagen?«, frage ich.
    »Dotti datet!«
    »Wie bitte?«
    »Als Titel für den Blog. Was meinen Sie?«
    Allmählich artet die Geschichte in

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