Naschmarkt
einen Alptraum aus. Entschlossen stehe ich auf.
»Ich date nicht!«
»Nein, nicht gut, zu wenig spritzig.« Er kratzt sich nachdenklich am Kinn. »
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vielleicht. Wie gefällt Ihnen das?«
Titelsuche für eine beschissene Gesamtsituation.
»Herr Pohl …«
»Das wird großartig! Ein Meilenstein des modernen interaktiven Journalismus.« Er wendet sich zum Gehen, überlegt es sich anders, bleibt vor mir stehen, legt mir väterlich die Hände auf die Schultern und strahlt mich an. »Ich bin sehr stolz auf Sie, Frau Wilcek.«
Da ist es, das magische Wort. Das Wort, um das ich seit dem Publizistikstudium gerungen habe, wegen dem ich Nächte durchgelesen, mich auf jede Rezension sorgfältig vorbereitet und sämtliche Termine eingehalten habe. Es setzt mich unter Strom und macht aus meinem Hirn eine Glühbirne.
»Ein Blog. Wann und wie oft ich will«, sage ich zögerlich.
Pohl nickt lächelnd.
»Exakt bis zum Ablauf der acht Wochen, die
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verspricht. Nicht mehr. Und völlig freie Hand bei der Themenwahl. Es ist meine Sache, womit ich diese Beiträge fülle. Keine Einmischung durch Sorina Loos oder sonst jemanden.«
»Selbstverständlich.«
»Gut. Ich werde in diesen zwei Monaten den Großteil der Rezensionen an externe Rezensenten abgeben, damit ich Zeit habe, zu recherchieren. Und ich brauche Lorenz Kanzler für die Betreuung des Blogs.«
»Wie Sie möchten.«
Ich frage mich, ob ich bei der Gelegenheit um einen gutaussehenden Sekretär bitten soll, der mir in Zukunft die Post abnimmt, die Füße massiert und mir einmal die Stunde frischen Rooibostee kocht. Patrick Dempsey vielleicht. Aber das könnte eine Spur übertrieben sein.
Als Pohl mein Büro verlassen hat, setze ich mich äußerst unwillig an den Computer, tippe mein Passwort in ein pflaumenrotes Fenster und logge mich bei
Literally in Love
ein.
» Sieben neue Nachrichten«, steht oben auf meiner Startseite, darunter der Hinweis: »Machen Sie Ihr Profil attraktiver. Laden Sie ein Foto hoch.«
»Das fehlte gerade noch«, teile ich der Yucca-Palme mit. Ich werde Lorenz bitten müssen, irgendein Fake-Foto einzustellen. Am besten ein besonders hässliches, damit mich keiner anschreibt.
Aber wie soll ich dann an Recherchematerial für den Blog kommen? Was für ein Horror. Ich sehe mich schon als Phantasielustobjekt einsamer Universitätsprofessoren. Wenn ich die nächsten acht Wochen überstehen will, brauche ich vor allem eines: eine Firewall, die sämtlichen Angriffen von außen standhält. Privatsphäre-Level: höchste Alarmbereitschaft!
Es klopft.
Zusatz: eine Bürotür mit Passwortschutz.
»Ja?«
Beatrice Kleidermann betritt mein Büro. Sorgfältig schließt sie die Tür hinter sich, wirft einen pikierten Blick auf das Bücherchaos, ehe sie mit verschränkten Armen zu meinem Schreibtisch schlendert. Seit ich beim
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angefangen habe, bewundere ich ihre lässige Eleganz, habe aber auch ein wenig Angst vor ihrem strengen Urteil. Mit ihren eins neunzig ist sie eine absolut imposante Erscheinung. Das eisblonde Haar befindet sich wie immer in Frisch-vom-Friseur-Form, und die Farbe ihrer Lippen ist auf die jeweilige Beigeschattierung ihrer Garderobe abgestimmt. Beatrice Kleidermann leitet seit über fünfzehn Jahren das Ressort Gesellschaft. Sie ist die absolute Nummer eins auf dem Societyparkett, mit jedem A-Promi per du, mit den B-Promis verfeindet und wird von den C-Promis heftig umworben. Niemand kennt die Wiener Sekt-und-Küsschen-Mafia besser als sie. Wer Beatrice Kleidermanns Gunst gewinnt, der hat es geschafft.
»Sie sind also der Meinung«, sagt sie unvermittelt, »dass eine Frau keinen Mann braucht?«
»Frau Kleiderm…«
»Dass die Zukunft zwischenmenschlicher Beziehungen eine Art Einzelhaft ist, bei der man, bis auf die gelegentliche sexuelle Befriedigung, kein Besuchsrecht bekommt? Und dass Kinderkriegen wie Accessoireshopping funktioniert? Jeder kauft ein, wie es ihm passt?«
»Ich denke …«
»Falsch«, unterbricht sie mich. »Sie denken gar nicht. Und genau das ist das Problem. Frauen wie Sie verschanzen sich hinter ihren überfüllten Bücherregalen, bringen ihren Haustieren bei, ins richtige Eck zu kacken und nehmen so lange Zucker auf, bis ihr Unterkörper porös, fett und frigide wie tiefgeforenes Backpapier ist.«
Ich bin unfähig, etwas zu sagen. Nicht mal aufstehen gelingt mir, so sehr zittern mir die Knie. Hat sie das gerade wirklich gesagt?
»Ich gebe Ihnen einen
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