Naschmarkt
Tee.«
»Das, das, das ist …« Mir fällt keine genügend umfassende Beschimpfung ein, also trinke ich gehorsam aus meiner Tasse, verschlucke mich prompt und muss husten.
»Spritzig?«, feixt Stella, klopft mir auf den Rücken und zieht meinen Kopf tröstend an ihre runde Schulter.
»Sieh es positiv, Dotti, jetzt melden sich auch Männer bei dir, die bisher von deiner Intelligenz eingeschüchtert gewesen wären. Mit solchen Brüsten könntest du Albert Einstein sein und hättest trotzdem Sex.«
»Ich will aber nicht«, sage ich leise.
»Was? Große Brüste oder Einstein?«
»Daten.«
»Ach, Schatz! Es ist halb so schlimm, glaub mir. Wenn du erst mal die Perversen, die Gestörten, die emotional nicht Verfügbaren und die verkappten Schwulen aussortiert hast, ist der Datingmarkt ein großer, bunter Rummelplatz. Du wirst enorm viel Spaß haben.«
»Spaß macht mir Angst.«
»Es hilft alles nichts, Dotti. Mit Abwarten-und-Tee trinken ist es vorbei.« Stella nimmt mir die Tasse aus der Hand und zieht mich aus der bequemen Couch. »Jetzt suchen wir dir einen Mann.«
Zehn Minuten später arbeitet sich Stella geduldig durch meinen
Literally in Love
-Posteingang. Sie hat mehrere Ordner angelegt, die mit »geht_vielleicht«, »geht_gar_nicht«, »unter_aller_Sau« und »scheiße_das_darf_doch_nicht_wahr_sein« beschriftet sind. Dort werden nach und nach die Botschaften der willigen Anwärter einsortiert.
»Was ist mit dem?«, fragt sie mich und öffnet eine Nachricht von einsamerrecke 006 . »Ihr habt neunundsiebzig Prozent Übereinstimmung. Schau mal, er ist auch ein
Harry-Potter
-Charakter.«
»Welcher?«
»Dobby, der Hauself.«
»Damit ist er für mich gestorben.«
Stella schiebt die Nachricht in den »geht_vielleicht«-Ordner.
»Hey, der geht
nicht!
«
»Dotti, der Vielleicht-Ordner ist immer noch leer. Langsam solltest du anfangen, deine Prioritäten zu überdenken und die Ansprüche runterzuschrauben.«
»Aber doch nicht auf unter einen Meter Körpergröße.«
»Hey, Dobby ist häuslich, reinlich, charmant und sucht eine niveauvolle Dame zur gemeinsamen Freizeitgestaltung. Sei nicht so oberflächlich.«
Mir schwant Böses. »Wie alt ist Dobby?«
»Warte, ich schau gleich nach … Oh.«
»Oh?«
»Vierundsechzig.«
»Vierundsechzig?
Vierundsechzig?
Und schreibt mich an?«
»Viele Frauen über dreißig haben Beziehungen zu älteren Männern.«
»Älter ja, aber doch keiner, der mein Opa sein könnte.«
»Alter ist eine Frage der Einstellung.«
»Eher der Einbildung.«
»Ja, zugegeben, mit großer Ausdauer kannst du nicht mehr rechnen. Dafür mit Hingabe.«
»Stella!«
»Das_darf_doch_nicht_wahr_sein?«
»Keine Frage.«
»Gut, nächste Nachricht. Grinsekater, einundachtzig Prozent Übereinstimmung. Literarische Figur … beeindruckend: Atreju aus der unendlichen Geschichte. Siebenunddreißig, sportlich … Wow, sieh dir das Foto an! Er sieht aus wie Jude Law.«
»Das
ist
Jude Law.«
»Tatsächlich. Zwei Möglichkeiten: Jude Law ist bei
Literally in Love
registriert oder …«
»Das_darf_doch_nicht_wahr_sein«, sagen wir gleichzeitig, und Stellas dröhnendes Gelächter veranlasst Pohls Assistentin Ulrike Plasnitsch, den Kopf zur Tür hineinzustecken und uns hinter ihren randlosen Brillengläsern misstrauisch zu mustern.
»Herr Pohl lässt fragen, wann mit dem ersten Blog zu rechnen ist. Der Kunde möchte die Anzeige im Web schalten.«
Mir bleibt fast das Herz stehen. Mein Fremdkörperfoto überall sicht- und abrufbar im weltweiten Netz. Das ist eine verdammte Katastrophe.
»Nicht jetzt«, zische ich ungehalten.
»Aber noch heute, Frau Wilcek.«
Ich knurre etwas Unverständliches.
»Ach ja, fast hätte ich es vergessen.« Sie verzieht die Lippen. Die Plasnitsch vergisst nie etwas, sie hat nur zu viele
Columbo
-Folgen gesehen. »Herr Pohl möchte, dass Sie eine Rezension zu
Amors Feder
schreiben. Der Roman ist eben auf der SPIEGEL -Bestsellerliste eingestiegen. Ganz Wien spricht davon. Glahnz ist sein Name, Florian Glahnz, mit …«
»H«, ergänze ich.
»Dann ist ja alles klar, Frau Wilcek.«
Das Lächeln der Plasnitsch ist eine Spur zu süß, als sie die Tür wieder schließt. Ich wette, genau in diesem Moment reitet sie auf der anderen Seite auf irgendeinem Besen hoch über den Schreibtischen der Redaktion. Ich lasse sie in Gedanken in einen Kessel mit Zaubertrank stürzen und fett wie Obelix werden.
»Gut, weiter im Text!«
Stellas Enthusiasmus, meine Anwärter auf der
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