Naschmarkt
dem Barkeeper, der mit mürrischem Gesichtsausdruck zu uns kommt.
»Die Ladys wünschen?«
Rita schiebt ihm den pinkorangefarbenen Cocktail hin.
»Wenn
Sie
das trinken können, bezahl ich das.«
Er wendet sich wortlos von uns ab.
»Kannst du bitte mal ernst werden?«
»Ganz im Ernst, das Zeug ist ungenießbar.«
»Wieso bin ich für Beziehungen überqualifiziert? Ich hätte eher gedacht, ich bin beziehungsuntauglich.«
»O nein, Dotti. Du machst Männern Angst. Der männliche Homo sapiens ist simpel gestrickt. Er will jagen und sammeln, nicht inhaltlich wertvolle Diskussionen über Kafka führen. Daran hat sich seit der Steinzeit nichts geändert.«
»Reden wir von Schimpansen oder Sakkoträgern?«
»Okay, Dotti, fangen wir mal beim Offensichtlichen an. Dein Outfit.«
»Was ist mit meinem Outfit?«
»Nichts. Eben. Gar nichts ist mit deinem Outfit.«
»Entschuldige, das ist Baumwolle von höchster Qualität. Die hält selbst dem achthundertsten Waschgang noch stand. Außerdem ist es kalt draußen und ich trage drei Paar Wintersocken. In Nylon erfriere ich.«
»Da hast du es. Du bist zu praktisch. Das Männchen ist aber auf Signalfarben und das Schimmern von Haut programmiert. Weißt du, wie sich das Tierreich davor schützt, gefangen zu werden?« Sie zupft an meinem Rollkragenpullover. »Tarnfarben und Ganzkörperfell. Mit Bluejeans, Stricksocken und Schlammrolli kannst du erfolgreich mit dem Unterholz verschmelzen, nicht jedoch mit dem Unterkörper.« Rita macht entsprechende Hüftbewegungen, worauf ein Typ rechts neben uns an der Bar seiner Begleiterin den Gin-Tonic ins Dekolleté leert.
Der Barkeeper stellt klirrend zwei frische, pinkorangefarbene Getränke vor uns hin.
»Entschuldigung, aber das haben wir nicht bestellt.«
»Ist von dem Macker mit den Ohren«, lautet die mürrische Antwort. Von einem Tischchen hinter uns winkt ein schmächtiges älteres Männlein mit beeindruckend abstehenden Hörorganen herüber. Rita prostet ihm lächelnd zu und stupst mich an.
»Na, wie wär’s mit dem?«
»Soll ich ihm die Ohren langziehen?«
»Auf jeden Fall. Damit er besser hören kann.« Sie knurrt wie ein Wolf und macht mit dem Strohhalm Bläschen in ihren Cocktail, bis mir der Bauch weh tut vor Lachen. Der Mann links von uns, der sich mit seinem breitkrempigen Filzhut offenbar für Humphrey Bogart hält, wirft uns einen sonderbaren Blick zu, ehe er sich wieder seinem Drink widmet.
Seit über einer Stunde sitze ich mit meiner Freundin in der angesagten
First Floor Bar
im berühmten Wiener Bermudadreieck und bekomme eine exklusive Einführung in die Kunst des Flirtens. Bisherige Erfolgserlebnisse: eine zerbrochene Schüssel mit Nüssen, ein geschwollener Zeh und ein von Dumbo persönlich spendierter Tropencocktail.
Nachdem Stella meinen D 8 -Gipfel mit geraldo 01 arrangiert hatte, stand fest, dass ich Hilfe brauchen würde. Schließlich ist es das erste Blind Date meines Lebens. Noch dazu möchte mich Geraldo ausgerechnet in die Oper ausführen. Eine enorm perverse Idee, denn das bedeutet, dass ich den ganzen Abend lang nicht auf meine bevorzugte Waffe, die Sprache, zurückgreifen kann, sondern mich Musik aussetzen und nonverbal kommunizieren muss. Die Bühnenluft wird unter Schmachten, Seufzen und Gebrüll vibrieren, was meiner Romantikverdrossenheit nicht wirklich entgegenkommt.
»Oper ist doch toll«, meinte Stella, nachdem sie das Chatfenster geschlossen hatte. »Große Gefühle, Leidenschaft, ein dunkler Theatersaal zum Fummeln …«
»Fummeln?«, fragte ich erschrocken. »Seit wann wird beim Daten gefummelt?«
»In welchem Jahrhundert lebst du? Fummeln ist die neue Konversation«, behauptete sie. Sex ist Stellas Metier. Als erfahrene
Lust-und-Liebe
-Redakteurin kennt sie sich mit allen Intimitäten bestens aus.
Doch für das
Davor
ist Rita zuständig. Seit ich Rita kenne, ist meine älteste Freundin auf der Jagd nach dem perfekten Date. So erfolgreich sie als Unternehmensberaterin zu überzeugen weiß, so wenig hat sie bisher in Liebesdingen überzeugt. Aber sie trägt die Goldmedaille für die ausdauerndsten Versuche. Schließlich sollen Eigenheim und Kinder laut Terminplanung vor ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag zumindest in Arbeit sein.
Rita besitzt ganze Regale voller Gebrauchsanweisungen zum Thema Mann, kennt jeden Frauenknigge, der je publiziert wurde, und ist ungeschlagener Brautstraußquarterback. Tapfer hat sie sich durch Tanzkurse, Fortbildungsseminare, Singlepartys und
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