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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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geheimes und allseits beliebtes Chicken Tikka Masala« nennt.
    »Irgendetwas fehlt, oder?« Lorenz steht mit gerunzelter Stirn neben dem Topf und kratzt sich mit dem Stiel des Kochlöffels am Kopf. Er ähnelt dabei ein wenig Daniel Düsentrieb, nur größer und ohne Schnabel.
    »Salz vielleicht?«, rate ich. Nachdem ich Chicken Tikka Masala in meinem bisherigen Leben weder gekocht noch gegessen habe, ist das die beste Auskunft, die ich geben kann.
    »Ich glaube nicht. Koriander möglicherweise. Und etwas Zimt.«
    Das hört sich mehr nach Lebkuchen an.
    »Wenn du meinst.«
    Ich lege den Löffel vorsichtig in die Spüle, die so blitzblank geputzt ist wie bei mir daheim höchstens zu Weihnachten. Weder schmutzige Teller noch halbvolle Tassen mit darinhängenden Beuteln oder Kaffeerändern stehen daneben. Lorenz’ Küche ist so sauber und aufgeräumt, dass man hier problemlos ein Kind zur Welt bringen oder einen chirurgischen Eingriff durchführen könnte.
    Ich bin zum ersten Mal in seiner Wohnung und hatte eine komplett andere Vorstellung. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass mein Computer-Nerd-Kollege in seiner Freizeit indische Gerichte zubereitet, perfekt ausgestattet mit einer Kochschürze, auf der »Beam me up, Scottie!« händisch aufgestickt ist.
    »Hast du die alle selbst gezogen?«, frage ich und streiche bewundernd über eine Reihe von Kräutertöpfen. Ich muss Nekos Katzengras wöchentlich erneuern, da ich nicht fähig bin, eine Pflanze länger als fünf Tage am Leben zu erhalten.
    »Klar, das ist doch viel billiger. Weißt du, was getrocknete Kräuter kosten, abgesehen davon, dass sie weit weniger
tasty
sind? In Töpfen wachsen sie nach, man hat immer frische Zutaten und bezahlt nur ein einziges Mal für die Samen. Das ist ökonomischer Zeitgeist. Genial, oder?«
    »Ach ja?«
    Langsam wird er mir unheimlich. Er lächelt so breit, dass seine Zähne blitzen, und erinnert mich so an den »Hausverstand« aus der Billa-Werbung. Ich schlendere in den Nebenraum, der schon eher meiner Vorstellung von Lorenz’ Persönlichkeit entspricht. Freilich ist auch hier alles blitzsauber, als litte er am Meister-Proper-Syndrom. Doch zumindest macht sich der Mangel an Stauraum in seiner dreißig Quadratmeter kleinen Stadtwohnung in diversen Stapeln von Büchern, DVDs und CDs bemerkbar. Diese sind zwar, wie ich erschrocken feststelle, thematisch geordnet, lassen aber wenig Bewegungsfreiheit zu. In einer Ecke befinden sich eine schmale minimalistische Couch, eine Ikea-Stehlampe und ein umso größerer Plasmafernseher. Unter einem – dank des Altbaus in über zwei Metern Höhe angebrachten – Hochbett ist die Schaltzentrale in Form diverser Computer, USB -Geräte, Kabel, Stecker sowie einer Art Schreibtisch, der komplett mit Hightech übersät ist.
    »Ready«,
ruft Lorenz fröhlich aus der Küche, während ich einen Stapel beiseiteschiebe, der mit
»
LOST
Staffel 1 – 5 ;
HEROES
Staffel 1 – 3 etc.« beschriftet ist, und mich auf die Couch setze. Lorenz, immer noch in der Trekkie-Kochschürze, betritt das Zimmer, quetscht sich neben mich und reicht mir einen Teller voll dampfendem Chicken Tikka Masala mit Basmatireis. Seine Knie hat er, weil er so tief sitzt, beinahe in Augenhöhe. Auf den Knien steht sein Teller, aus dem er enorm schnell das Essen in sich hineinschaufelt.
    »Also, wobei wolltest du, dass ich dir helfe?«, fragt er zwischen zwei Bissen.
    »Nun«, ich suche ein Hühnchenstück aus dem Masalamatsch heraus und spieße es mit der Gabel auf, »es geht um eine Recherchesache. Für den Blog möchte ich das Matchingsystem von
Literally in Love
überprüfen. Dazu will ich ein männliches Profil anlegen, das genau meinen Wünschen entspricht.«
    Lorenz macht große Augen hinter seiner vom Essensdampf angelaufenen Brille.
    »Du hast
Wünsche?
Nach all deinen Ausführungen über die Evolution war ich der Meinung, dass du lieber ein zwittriges grünes Insekt wärst.«
    Er grinst.
    »Erstens, Lorenz, handelte der Text von Jungfernzeugung, nicht von Hermaphroditismus. Zweitens geht es in der Kolumne nicht um mich, sondern um die Beobachtung gesellschaftlich relevanter Themen.«
    »Ach so.« Er vergisst zu schlucken, weshalb es sich mehr nach »Ach fo« anhört. »Dann bist du also doch auf der Suche? Vielleicht meldet sich dein Seelenpartner ja über
Literally in Love
bei dir.«
    Ich sehe ihn misstrauisch von der Seite an. War da ein wenig Sarkasmus in seiner Stimme? Ich habe ihm nichts von djfleming und der

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