Naschmarkt
die miteinander in erbittertem Clinch liegen. Teils wurde mein Text als »Befreiung der Frau« und »neuer Maßstab für die Frauenpolitik« bezeichnet, teils als »Hasspamphlet gegen die bürgerlichen Werte der Familie«. Selbst in der heutigen Parlamentssitzung hat man mich zitiert. In den Blog-Kommentaren wurde ich von den einen als »Insektenemanze«, »trockene Blattfotze« und »arme Sau« beschimpft. Die andere, nicht weniger schlimme Fraktion forderte mich auf, ein Mauerblümchenvolksbegehren zu starten oder eine Frauenkommune zu gründen.
Pohl erschien mindestens einmal die Stunde in meinem Büro, um mir, zunehmend enthusiastisch, die Absätze, die Besucherzahlen unserer Online-Plattform, die Höhe der Anzeigeneinnahmen oder die Erwähnungen des
Österreichboten
in anderen Medien vorzurechnen.
Als wäre das nicht genug, rief dank meiner Mutter ein Großteil der männlichen Bevölkerung Wiens bei mir an, um sich mit mir zu verabreden. Ich habe mich schließlich breitschlagen lassen, morgen Nachmittag Anton Fischler zu treffen, nachdem er am Telefon wahre Hartnäckigkeit bewiesen hat. Er ist Stammkunde im
Pies & Pages,
trinkt, wie Lady Lydia mir berichtet hat, seinen Earl Grey ausschließlich mit Kandiszucker und Obers, ist äußerst belesen und bis auf eine gewisse Schüchternheit ein sehr ansprechender Mann.
Nebenbei füllt sich mein
Literally-in-Love
-Posteingang weiter, wenn auch keine neue Nachricht von djfleming darunter ist. Dafür schrieb mir hansibaer 136 (gibt es tatsächlich irgendwo auf dieser Welt verteilt einhundertfünfunddreißig andere hansibaeren, oder ist das ein Rechenfehler?): »Du bist hüpsch! Darf ich deine FIP -Rechte haben?«
Ich muss gestehen, dass ich Lorenz nach dem Erlebnis mit Geraldo dazu gebracht habe, in Photoshop ein Profilfoto für mich herzustellen, das aus Steffi Grafs Augen, Alice Schwarzers Mund sowie Sarah Jessica Parkers Nase besteht. Eine Kombination, die, von Meg Ryans struppigster Frisur umrahmt, scheinbar großartig funktioniert, auch wenn ich der Meinung bin, es sieht ein wenig so aus, als hätten sich Vitali und Wladimir Klitschko gemeinsam auf mein Gesicht gesetzt.
Aber hansibaer 136 gefiel es. Blondinen bevorzugt. Als ich ihn darauf hinwies, dass sein Profil praktisch unbeschrieben ist, gab hansibaer der hundertsechsunddreißigste, zunehmend verzweifelt, sein Bestes. Er argumentierte:
»Schreiben is nicht so mein Ding. Frag mich doch einfach beim ersten Date! ;-) ich bin im Musikbereich tehtig. Hab sogar mal Klavier gelernt.«
Na, das ist natürlich was anderes! Ein studierter Klavierspieler mit orthographischen Schwächen, das Ziel meiner Wünsche, der ultimative Fiebertraum meiner schärfsten Kopfkinofilme. Womöglich kann er mir gar
Für Elise
vorspielen, wenn ich Glück habe, einhändig!
Als ich mit »Ich hasse Musik« antwortete, riet mir der plötzlich überhaupt nicht mehr kuschelige hansibaer, meine Prioritäten zu überdenken, weil ich sonst
keinen so tollen Partner wie ihn finden,
ein freudloses Dasein fristen und
einsam und ungeliebt sterben werde.
»Lorenz?«, frage ich, weiterhin mit geschlossenen Augen, als ich höre, wie er zurück ins Zimmer kommt und den Computer einschaltet.
»Ja?«
»Warum gehen Männer eigentlich grundsätzlich davon aus, dass eine Frau mit ihnen immer noch besser dran ist als allein?«
Er schweigt. Ich öffne die Augen und merke, dass er mich nachdenklich ansieht.
»Weil niemand gern allein ist, Dotti. Das ist die Wahrheit. Egal, was du für Theorien zu Geckos, Truthühnern und Insekten aufstellst, Menschen wollen sich paaren, in jeder Hinsicht. Was möchtest du jetzt genau recherchieren?«
Etwas verlegen stehe ich auf und nähere mich dem Schreibtisch. Ab und zu vergesse ich, dass Lorenz auch ein Mann ist, und vor allem, dass er einsam ist.
»Äh, nun ja, ich bräuchte dich quasi als Sachverständigen. Ich habe vor, ein männliches Profil bei
Literally in Love
einzurichten. Die Fragen werde ich so beantworten, wie es jemand täte, der meiner Ansicht nach zu mir passt. Ich wette mit dir, dass das Matchingergebnis viel niedriger sein wird.«
»Und was willst du damit beweisen?«
»Dass es Quatsch ist. Diese ganze wissenschaftliche und literarische Pseudoanalyse ist nichts als ein Fake. Die sogenannten Matchingpunkte sind reines Zufallsprinzip. Es geht einzig und allein darum, den Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen.«
Lorenz seufzt und tippt auf seiner Computertastatur herum. Ich setze mich auf die
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