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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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einen löchrigen Löffel, träufelt noch mehr Blau drüber und zündet den Zucker schließlich an. Eine kleine Flamme beleuchtet ihr blasses Gesicht und die schillernd grünen Augen.
    »Ist das …?«
    »Absinth«, sagt sie, während karamellisierter Zucker durch das Löffelloch tropft. »Besser gesagt tschechischer Absinth nach Originalrezept. Der ist nicht grün, sondern blau.« Sie reicht mir das Glas. Ihre Hände stecken in edlen, weißen Lederhandschuhen. »Probier mal!«
    »Nein danke«, wehre ich ab, »ich vertrage nichts Hochprozentiges.«
    Sie legt den Kopf schief und sieht mich aus stark geschminkten Augen an.
    »Diese Ansammlung von Nerds wirst du ohne hochprozentige Unterstützung kaum den ganzen Abend lang ertragen, Hase. Es sei denn, du isst die vegetarischen Cevapcici oder trinkst zu viel Chihuahua-Bowle, dann hängst du über der Toilette. Und jetzt entschuldige mich, ich muss das Eck mit den
Reenactment
-Nerds suchen, wir führen gerade eine Diskussion bezüglich unseres Kuchenstreits zum Wiener Kongress. Die Chose ist zugleich tragisch und unterhaltsam.«
    Ich sehe ihr nach, wie sie in ihren hohen Herrenstiefeln durch die Küche davonstapft. Jetzt erst fällt mir auf, dass an ihrer Seite ein Florett baumelt.
    Ich rieche an der blassblauen Flüssigkeit in meinem Glas. Vielleicht könnte ich einen Schluck vertragen. Immerhin habe ich das ganze Wochenende damit verbracht, das Internet nach Lokalen und Orten zu durchsuchen, die »Prinz« oder »Erzherzog« im Namen tragen. Es gibt das Hotel Erzherzog Rainer, die Prinz-Eugen-Straße, den Erzherzog-Johann-Platz, das Café Prinz, doch nichts davon will so richtig zu djflemings Botschaft im Schuh passen. Nur etwas mehr als ein Tag bleibt mir, um den Ort zu erraten, an dem er am Mittwoch für mich Wurzeln schlagen wird.
    »Was ist das?«
    Rita deutet auf mein Schnapsglas und senkt den Kopf, um daran zu riechen. Anscheinend war sie hungrig genug, um die Cevapcici zu essen, zumindest ist ihr Teller leer. Lorenz ist in ein Gespräch mit jemandem verwickelt, der verdächtig nach Gollum aussieht, aber auch Dobby, der Hauself sein könnte.
    »Absinth. Möchtest du?«
    Sie schüttelt sich.
    »Nein danke, in meinem Magen streitet sich der Met mit den Cevapcici darum, wer zuerst Sodbrennen verursachen darf.«
    »Rita?«
    »Hm?« Wir müssen einer Gruppe Orks ausweichen, die es auf das Butterbier abgesehen hat.
    »Weißt du einen Ort, wo ein Prinz und ein Erzherzog Schatten werfen?«
    »Dotti, wenn ich wüsste, wo ein Prinz zu finden ist, wäre ich dann heute Abend in Nerdhausen mit Wer-will-Lady-Gaga-vögeln-Heels?«
    Jemand neben uns räuspert sich. Es ist der Typ mit dem Pferdekopf. Ich fahre etwas leiser fort: »Es muss ein Platz sein, wo man Wurzeln schlagen kann.«
    »Also hier schon mal nicht«, sagt Rita und wirft Pferdekopf einen bösen Blick zu. Der lässt sich nicht stören und schenkt sich in Ruhe Met ein. Ich frage mich, durch welche Körperöffnung er den zu trinken gedenkt, als Lorenz zu uns tritt und auf meinen Teller deutet.
    »Die Cevapcici werden kalt. Hast du keinen Hunger, Schatz?« Ohne Vorwarnung legt er mir eine Hand auf die Hüfte und macht dabei ein Gesicht, als hätte er soeben den Quidditch-Worldcup gewonnen.
    Angesichts dieser neuen Wendung hebe ich mein Glas, studiere noch einmal die farbige Flüssigkeit darin und schütte sie schließlich auf ex runter. Was sein muss, muss sein.
    »Dotti, alles in Ordnung?«
    Bazinga!
Raum und Zeit beschleunigen sich. Hey, Scotty, so fühlt sich Beamen an, denke ich zusammenhanglos. Mein Kopf dröhnt, als wäre er an einen Verstärker angeschlossen worden, und die Stimmen auf der Party geben ein böses Echo. Im Gegensatz dazu ist mein Blick total scharf, ich kann jedes Detail erkennen: Die ausgefransten Ikea-Rattanmöbel, in denen Menschen in traurigen, selbstgebastelten Verkleidungen herumlungern und darauf warten, dass der Gewinner des Kostümwettbewerbes bekanntgegeben wird. Den Zwerg, der ein Gnom sein möchte, wie er über die politische Bedeutung von
World of Warcraft
philosophiert, während sich der Klebstoff seines Barts allmählich löst. Die Orks sind in eine Partie
Dominion
versunken, und der Gastgeber, der verdächtig nach Legolas dem Elb aussieht, nur ohne Orlando Blooms schönes Gesicht, flirtet gerade mit einem verschüchterten Draco Malfoy.
    Auf einmal wird mir klar, warum ich mich die ganze Zeit so beobachtet fühle: Diese Halloweenparty ist in Wahrheit eine Ansammlung verschiedenster

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