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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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tragen, wurde ich kurzerhand zu Ginny Weasley erklärt, Harry Potters rothaariger kleiner Freundin. Vermutlich ein Wink mit dem Besen.
    »There you go, Ladies.«
    Aus irgendeinem abstrusen Grund meint Lorenz, dass die Figuren, die man darstellt, in ihrer Originalsprache kommunizieren sollen.
    »Was, um Himmels willen, ist das denn?«, stößt Rita entsetzt aus. Tatsächlich sehen die Objekte auf unseren Tellern verdächtig nach etwas aus, in das man auf der Straße tunlichst nicht treten sollte.
    »Vegetarian Cevapcici«,
antwortet Lorenz mit stark britischem Akzent.
»It’s very good.«
    »Kannst du mal mit dem Quatsch aufhören und deutsch reden?«, entgegnet Rita.
    »But I am Harry Potter.«
    »And I am Lord Voldemort, killing you with a Cevapcici fork.«
    Rita hebt drohend ihre Gabel. Wenn es zwischen zwei Menschen so etwas wie Abneigung auf den ersten Blick gibt, dann trifft das auf Rita und Lorenz zu.
    Um der unangenehmen Situation eines Einzeldates mit Lorenz zu entgehen, habe ich Rita unter Berufung auf den Freundinnen-Notfall-Code gezwungen, mich zu der Halloweenparty zu begleiten. Katharina wäre die erste Wahl gewesen, schließlich besitzt sie eine komplette Hufflepuff-Uniform, aber in der Buchhandlung, in der sie arbeitet, ist heute Horrornacht. Christine singt bei einem Hexenkonzert, Miki hat ihren Single-Fusion-Kochkurs mit Spezialthema Kürbismaki, und Stella kann Halloween nicht ausstehen. Blieb nur Rita. Nachdem deren Kleiderschrank jedoch nichts Fantasy-Nerd-Taugliches enthielt, waren wir am Samstagnachmittag in einen Sexshop eingefallen, um ein Outfit für sie zu besorgen. Einen Kostümverleih oder Ähnliches zu betreten, weigerte sie sich.
    »Dotti«, sagte sie, »Plastikpenisse in diversen Ausführungen, Latexstrapse und Schweinskramfilme schrecken mich nicht ab. Im Gegensatz zu dir finde ich nämlich, dass zum
Coitus singularis
etwas mehr gehört als Schokopudding, Kuscheltierchen und Meg Ryan. Aber du kriegst mich nicht in ein Geschäft mit
Clownsnasen
in der Auslage.«
    Rita hasst Clowns. Ich erinnere mich, dass wir einmal in der Fußgängerzone unterwegs waren. Unmittelbar vor H&M stand ein dummer August, der für die
Roten Nasen
Spenden sammelte und dafür mit bunten Bällen jonglierte. Rita rief seelenruhig die Polizei unter dem Vorwand, der Kerl hätte sie beleidigt, und sah dann dabei zu, wie er verhört wurde.
    »Er hat meine Intelligenz beleidigt«, erklärte sie den verblüfften Polizisten. Einer von ihnen ist keine Woche später in ihrem Bett gelandet, aber das ist eine andere Geschichte.
    Weil wir sie nicht in eine passable Hogwarts-Schülerin verwandeln konnten, steht Rita nun in gigantischen High Heels, Netzstrümpfen, schwarzem Lederkleid, mit wasserstoffblonder Langhaarperücke und einem roten Kopftuch inmitten lauter Hornbrillen tragender Elfen, Orks und Zauberer.
    Lorenz mustert sie von oben bis unten.
    »Als was gehst du eigentlich?«
    »Lady Gaga.«
    »Wie passend. Ich hätte eher auf Rotkäppchens ordinäre Schwester getippt.«
    »Ja?« Rita verschränkt kämpferisch die Arme vor der Brust. »Und dir hat offensichtlich jemand ins Hirn geschissen und statt zu spülen, einen Blitz draufgemalt.«
    Ich lasse die beiden Streithähne stehen und mache mich auf die Suche nach etwas, mit dem ich die vegetarischen Cevapcici runterspülen kann.
    Wenn es eine Steigerung von Nerd gibt, dann sind das viele Nerds in Kostümen, die ein Wohnzimmer so dekorieren, dass es wie Mittelerde nach einem Besuch von
Wohnen nach Wunsch
aussieht. Die eigentliche Bedeutung von Halloween wird nur durch mehrere über dem Buffet angebrachte Hexenlampions zelebriert. Ansonsten lautet das Motto der Party »Fantasy Cosplay«, ein Phänomen, das mir schon auf der Leipziger Buchmesse untergekommen ist.
    Um zum Tisch mit den antialkoholischen Getränken zu kommen, muss ich mich an einer pickeligen Elfe, einem übergewichtigen Professor Snape und einem Typen mit Pferdekopf vorbeidrängen. Mein Knöchel schmerzt immer noch ein wenig, also humple ich nicht sehr
finny-like
am Buffet entlang. Ich nehme einen Becher und fülle ihn mit einer Lauge, die sich »antialkoholische Elfenbowle« nennt, blassrosa gefärbt ist und nach Duschgel müffelt. Eine junge rotgelockte Frau in Männeruniform beobachtet mich dabei.
    »Das Zeug ist reiner Chihuahua-Urin. Ich weiß, wie so etwas aussieht, ich habe einen Chihuahua.«
    Sie gießt eine blaue Flüssigkeit aus einer zierlichen Flasche in ein Schnapsglas schüttet Zucker auf

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