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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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sind für gewöhnlich Helden«, antwortet er, und während die Türe zwischen uns ins Schloss fällt, bin ich mir sicher, dass er unter dem Pferdekopf lächelt.
     
    Liebst du schon oder lebst du noch?
     
    Beziehungsstatus Mauerblümchen
    Mittwoch,
2
. November
     
    Wir sind überall. Die Frau im Supermarkt, die die Halbliterpackung Milch, eine einzelne Tüte Asia-Nudeln, eine Banane, einen Monatsvorrat Katzenfutter sowie die große zartschmelzende Milka-Tafel mit ganzen Nüssen bezahlt und nicht bemerkt, dass der gutaussehende Mann hinter ihr identische Portionen im Einkaufswagen liegen hat. Der Typ im Kino, der in der vorletzten Reihe sitzt und sich räuspert, sobald das Pärchen vor ihm die Köpfe zusammensteckt. Die Kellnerin im Schnellimbiss, die ihrem Kollegen sehnsüchtige Blicke zuwirft und ihm lächelnd ein schönes Wochenende wünscht, wenn er von seinem Freund abgeholt wird. Der Student, der jeden Tag allein in der Mensa isst und sich nicht traut, die Kommilitonin anzusprechen, die am Nebentisch das Gleiche tut.
    Wir sind Einzelpackung.
    Wir sind Pluskatze.
    Wir sind Plushund.
    Wir sind Spieleabend-mit-Freunden.
    Wir sind Eine-Karte-bitte.
    Wir sind Samstagabendfernsehprogramm.
    Wir sind Mauerblümchen.
    Für uns werden Bauersfrauen, Schwiegertöchter und Bachelorprinzessinnen gesucht. Unseretwegen segeln Traumschiffe durch die fiktive Südsee und sozial benachteiligte Telenovelaheldinnen in die Arme ihrer reichen, attraktiven Chefs. Boygroups, Mannerschnitten und Johnny Depp wurden extra für uns erfunden. Und wir sind es, die Online-Datingplattformen wie
Literally in Love
mit unseren Illusionen finanzieren. Instant-Hoffnung für die Mikrowelle daheim. Schnell, unproblematisch und immer wieder aufwärmbar. Das passende Pluseins wartet auf uns, wir müssen es nur per PayPal oder Kreditkarte bestellen. Inklusive Mehrwertsteuer versteht sich.
    Lasst uns den Spieß umdrehen! Von jetzt an besetzen wir schamlos Zweiertische in Restaurants und reservieren in Flugzeugen die Fenster- und Eckplätze. Wir ernähren unsere Katzen artgerecht und verfüttern an sie das zweite Putenschnitzel aus der Packung. Wir lassen uns das Brot im Supermarkt vierteln und trauen uns, auf die Frage nach dem Familienstand mit »in Freiheit« zu antworten. Wir könnten einander
In-Case-of-Emergency
-Personen sein und Familienpackungen teilen, um die Preisgestaltung von Einzelprodukten zu unterlaufen.
    Hiermit rufe ich zur Gründung des ersten internationalen Mauerblümchenclubs auf. Zückt eure Smartphones, eure Tablets oder eure Computer und postet auf Facebook, Twitter, Google Plus folgende Statusmeldung: »Ein Mauerblümchen wächst selten allein!«
     
    (follow @dottiliest bei Twitter)

Mittwoch, 2 . November
    »Ist das Ihr Baum?«
    »Wie bitte?«
    »Der da. Der kleine, frisch gepflanzte.«
    »Dieser?«
    »Jawohl.«
    »Ich habe mit diesem Baum nichts zu tun.«
    »So? Und wie kommt dann die Erde unter Ihre Fingernägel?«
    »Das ist keine Erde. Das ist Schokolade.«
    Ich stecke den Zeigefinger in meinen Mund und sauge genüsslich dran. Mit großer Mühe gelingt es mir, nicht das Gesicht zu verziehen. Der höchstens einen Meter sechzig kleine, magere Polizist erblasst.
    »Sie haben soeben Eigentum der Republik Österreich verschluckt.«
    »Hab ich nicht.«
    »Haben Sie wohl.«
    Er zückt ein Büchlein und einen Stift.
    »Name?«
    »Wozu brauchen Sie denn meinen Namen?«
    »Es ist verboten, auf öffentlichen Plätzen Bäume zu pflanzen.«
    »Und wieso?«
    Darauf hat der Polizist auch keine Antwort. Er ignoriert meine Frage und tippt ungeduldig mit dem Kugelschreiber in sein Büchlein.
    »Name?«
    »Wie oft soll ich es noch sagen, das ist nicht mein Baum. Ich besitze überhaupt keine Bäume, nirgends.«
    »Ach ja? Und warum steht dann davor ein Täfelchen mit
icherzählerin?
«
    »Keine Ahnung.«
    »Junge Frau, Sie befinden sich mitten auf dem Wiener Heldenplatz, zwischen den Reiterstandbildern von Prinz Eugen und Erzherzog Karl, Gott hab ihn selig. Das ist kein Kinderspielplatz und kein Dorfacker. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder hier sein privates Bäumchen pflanzt?«
    »Ich. Habe. Kein. Bäumchen. Gepflanzt.«
    Ich spreche langsam und deutlich, weil der Polizist offensichtlich begriffsstutzig ist.
    »Das können Sie Ihrer Oma erzählen.« Der kleine, blonde Asterix-Schnauzbart über seiner Oberlippe zittert vor Erregung. »Sie knien auf einer öffentlichen Grünfläche, die Finger voller Erde, ein Schild mit
icherzählerin
in

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