Naschmarkt
Mauerblümchenclub darf eben das nicht tun. Keine Tipps für Singles oder Singleurlaube, Singlepartys, Singlelokale. Das hat schon bei der Homosexualität zu noch mehr Stigmatisierung und Widerstand geführt!
Dotti Wilcek hat gesagt …
Liebe Blog-Besucher! Ich danke euch für eure Kommentare. Der Mauerblümchenclub muss ein Zeichen setzen. Auf viele junge Frauen wird heute noch Druck ausgeübt. In unserer Kultur nur psychologisch, aber anderswo auch körperlich. Familiäre und gesellschaftliche Zwänge existieren. Wer keinen Partner hat, beziehungsweise seinen Partner oft wechselt, trägt automatisch ein Etikett: einsam, unglücklich und sitzengeblieben. Oder bindungsunfähig. Im schlimmsten Fall frigide oder promiskuitiv. Das führt dazu, dass viele Menschen sich nicht trauen zuzugeben, dass sie
gern
allein sind, dass sie kein Interesse an Sex haben und bei ihren bisherigen sexuellen Erfahrungen überhaupt kein Vergnügen hatten. Oder dass sie einfach lieber einzeln leben. Solche Menschen sagen: Was stimmt nicht mit mir? Ich frage euch: Was stimmt nicht mit dieser Aussage?
Freitag, 4 . November
»Herzlich willkommen bei unserem Speeddating-Event POE
sucht
SIE! Mein Name ist Annette Hofbauer, ich bin Ihre Gastgeberin heute Abend.« Die zu dünn geratene Blondine sieht so aus, als würde sie jeden Moment in der Mitte durchbrechen. Ihre Stelzenbeine stecken in strassbesetzten Riemchensandalen, deren Absätze ebenso spitz sind wie ihre Ellbogenknochen und ihr Heidi-Stimmchen. Mit einem professionellen Perlweisslächeln im Gesicht streckt sie mir zur Begrüßung die Hand entgegen.
Das Café Drechsler an der Linken Wienzeile ist eine Institution. Unmittelbar am Naschmarkt gelegen (dem Wiener Sammelplatz der Frischegesellschaft), kann man hier zu jeder Tages- und Nachtzeit seinen Kaffee oder Chai trinken. Besonders in den zeitigen Morgenstunden, wenn Nachtschwärmer auf Frühaufsteher treffen, ist das Lokal ein regelrechtes Kuriositätenkabinett. Nach dem Umbau vor ein paar Jahren ist es deutlich moderner und trendiger geworden. Chic hat die Patina abgelöst, und der neue Anstrich macht es weniger schmuddelig. Von der Gewölbedecke hängen gigantische Glaskugellampen, die den Raum und die ausgestreckte Hand der Blondine in ein zeitgemäß cooles Licht tauchen.
»Dorothy Wilcek,
Österreichbote
«, antworte ich und drücke das manikürte Kunstwerk vorsichtig, um keine Finger abzubrechen. »Ich wurde angemeldet.« Sie hakt meinen Namen auf einer Liste ab und reicht mir ein Kästchen.
»Darf ich Sie bitten, sich ein Namenskärtchen zu nehmen. Wir legen Wert auf Anonymität, daher trägt bei uns jeder Gast den Namen eines bekannten Autors oder einer bekannten Autorin. Sie sind die Letzte, darum ist die Auswahl nicht mehr allzu groß.«
Das ist leicht untertrieben. In dem Karton befinden sich noch genau drei Namensschilder. Wenig begeistert lese ich die Aufschriften.
Stephenie Meyer, Daphne du Maurier
und
Olivia Kenning.
»Wer soll das sein?«, frage ich und deute auf das letzte Schild. Blondie zuckt mit den Schultern.
»Eine Wiener Autorin. Schreibt anscheinend unter Pseudonym. Die anderen kannten sie auch nicht.«
Na toll. Mir bleibt die Wahl zwischen einer amerikanischen Mormonin mit Romanen über bissige Teenager und einer englischen Gruselschmonzettenschreiberin. Ich schüttle den Kopf.
»Und wenn ich die alle nicht will?«
»Ein Namensschild ist Vorschrift.« Sie kommt hinter dem Empfangstisch hervor und reicht mir ein Blatt Papier. »Sie bekommen nämlich ein Datenblatt, da tragen sie den Namen des Gesprächspartners ein, machen sich Notizen und kreuzen am Ende
Ja
oder
Nein
an.
Ja,
wenn Sie den anderen besser kennenlernen möchten, und
Nein,
wenn Sie an einem Wiedersehen nicht interessiert sind. Gäste mit übereinstimmenden
Ja
haben später Gelegenheit, im Hinterzimmer, unserem literarischen Salon, ein Glas Champagner zu trinken. Haben Sie noch Fragen?«
»Wie lange dauert die Veranstaltung?«
»Sie werden an diesem Abend zehn zufällig ausgewählte Dates haben. Alle fünf Minuten läute ich eine Glocke, und die Herren wechseln den Platz. Das Speeddating-Event dauert also in etwa eine Stunde. Auf der Rückseite des Datenblattes finden Sie ein paar Vorschläge für Fragen zum Thema Literatur, die Ihnen helfen können, etwas über den anderen zu erfahren. Sie dienen zur Orientierung. Ich bringe Sie jetzt zu Ihrem Tisch. Haben Sie sich für ein Namensschild entschieden?«
Ich gebe ihr den Karton
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