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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Fingern in der lockeren Erde um das Bäumchen herum. Da muss noch was sein. Irgendetwas. Ha! Tatsächlich ertaste ich etwa fünfzehn Zentimeter unter der Erde etwas Hartes, Glattes. Ich ziehe es mit Zeige- und Mittelfinger heraus, befreie es vom Schmutz und lege es in meine Handfläche. Das rechteckige indigoblaue Plastikding mit der gestanzten Goldschrift hat kaum Gewicht, dennoch klopft mein Herz so schnell, als hätte ich soeben einen hochkarätigen Goldschatz zutage gefördert. Ich weiß sofort, was es ist.
    Es ist ein Chip. Ein Fahrchip. Eine der altmodischen Eintrittskarten zu den Attraktionen des Wiener Praters. Wenn man an der Kasse bezahlt, bekommt man so ein Ding, das man anschließend, sobald man die Bahn betritt oder im Wagen Platz nimmt, wieder abgibt. Ängstlich drehe ich es zwischen den Fingern. Die goldenen Linien auf dem blauen Grund formen ein ganz bestimmtes Muster, bei dessen Anblick es mir kalt den Rücken herunterläuft. Woher kann er das wissen? Ich spreche nie über den Prater, nicht mal mit meinen besten Freunden. Seit Jahren habe ich den Vergnügungspark nicht betreten. Was für ein verhextes Spiel ist das?
    Ich zücke mein iPhone und wähle. Während sich die Verbindung aufbaut, fällt mir noch etwas auf. In eine Ecke des Plastikchips hat jemand mit Permanentmarker eine winzige Zahl geschrieben: eine kleine schwungvolle Vierzehn.
    »Hello, Darling!«
    Die muntere Stimme meiner Mutter, untermalt von den Hintergrundgeräuschen des
Pies & Pages,
reißt mich aus meinen Gedanken.
    »Hast du jemandem vom Prater erzählt?«
    »Einen Moment, Dotti. Haben Sie vielleicht zehn Cent?
Thank you.
« Das Schellen der altmodischen Kasse erklingt, gefolgt von scheppernden Münzen. Ich kratze ungeduldig mit dem Fingernagel über die Goldschrift. Ein schmerzhaft vertrautes Geräusch.
    »Da bin ich, Darling. Was wolltest du wissen?«
    »Hast du irgendjemandem vom Prater erzählt? Einem der Männer, die nach mir gefragt haben? Am Telefon? Meinem Chef? Dem Fischler-Typen von neulich? Einem Kunden? Irgendwem?«
    »Ist alles in Ordnung, Dotti?«
    Ich erkenne den wachsamen Muttertiertonfall.
    »Ja. Aber ich muss wissen, ob du jemandem …«
    »Natürlich
nicht
«, schnauft Lady Lydia empört. »Wofür hältst du mich?«
    »Denk nach, Mummy!«
    »Du hast mich auf den antiquarischen Agatha-Christie-Sammelband schwören lassen, dass ich es niemandem erzähle. Meinst du, das habe ich vergessen?«
    »Nein, aber …«
    »Ich bin deine Mutter. Ich habe ein Recht, zu erfahren, warum du mir so etwas unterlegst.«
    »Unterstellst, Mummy.«
    »Lenk nicht ab. Haben sie sich bei dir gemeldet? Nach all der Zeit? Ist es das? Was wollen sie von dir?«
    »Nichts. Niemand hat sich gemeldet. Aber jemand weiß davon.«
    »Wer, Dorothy?«
    »Das ist unwichtig. Du bist einer von zwei Menschen, die es ausgeplaudert haben könnten. Und der zweite würde das nie tun.« Es sei denn …? Nein, unmöglich. »Ich möchte, dass du nachdenkst. Vielleicht nur ein Nebensatz, irgendwann.
Meine Tochter war früher oft im Prater
oder etwas in der Art.«
    »
For goodness sake, nein,
Dorothy! Niemals! Aber ich will auf der Stelle wi…«
    »
Bye,
Mummy!«
    Ich lege auf und schalte das Handy aus. Die Angelegenheit ist mehr als seltsam. Wer auch immer hinter djfleming steckt, ich glaube nicht an einen Zufall. Der Chip in meiner Hand beweist, dass der Mann mich kennt und es mit seiner abgedrehten Schnitzeljagd auf irgendwas abgesehen hat.
    Ich studiere die Handschrift. 14 . Leider lässt sich aus den mickrigen vier Strichen nichts ablesen, weder ein Hinweis darauf, wer der Mann ist, noch was mich im Prater erwartet, sollte ich die Herausforderung annehmen. Ich weiß, dass die Ziffer eigentlich nur für die Nummer der Riesenradkabine stehen kann. Offensichtlich ist es ein Ticket für eine Fahrt mit Nummer Vierzehn. Warum ausgerechnet Nummer Vierzehn? Lauert er zwischen den Praterbuden und wartet auf die Frau, die in Nummer vierzehn einsteigt? Falls er mich treffen will, hätte er doch schon in seiner ersten Nachricht einen Termin festlegen können. Wozu lotst er mich in den Prater, wenn nicht deshalb, weil er weiß, was damals passiert ist.
    Vielleicht sollte ich die Polizei verständigen? Ich drehe den Kopf in die Richtung, in die Wachmeister Asterixbart verschwunden ist. Klar, gute Idee. Dort freut man sich bestimmt über meinen Besuch, nachdem ich der Staatsgewalt soeben ein paar hübsche Lügen aufgetischt habe.
    Apropos: Ich muss mich um die

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