Naschmarkt
zurück und deute auf das Empfangstischchen.
»Darf ich mal die Schachtel da drüben sehen?«
Annette Hofbauer dreht sich um und stößt in der Sekunde einen spitzen Schrei aus. Am Tischchen, malerisch im Lichtkegel einer der Kugellampen, steht ein Bild von einem Mann mit dem Rücken zu uns, die muskulösen Arme in die Hüften gestemmt, den knackigen Hintern in unverschämt enge Jeans verpackt. Sofort schaltet mein Kopfkino auf Dempsey-Modus, und mein Gaumen fühlt sich trocken an.
»Kann ich Ihnen helfen?«, haucht Blondie, deren kantige Bäckchen blassrosa zu leuchten beginnen. Mister Knackhintern dreht sich um, unsere Blicke treffen sich, worauf wir, wie aus der Pistole geschossen, beide gleichzeitig »Du!« rufen.
»Dotti.« Kareem setzt sein perfektestes Ken-Lächeln auf. »Was machst du denn hier?«
Er ist immer noch etwas blau um die Nase, was seine Attraktivität aber verblüffenderweise erhöht.
»Tu nicht so scheinheilig, Ramy! Du weißt genau, warum ich hier bin. Stalkst du mich jetzt, oder hat deine persische Mama dich zur Familienplanung hergeschickt?«
»Immer wieder ergreifend, dein Humor! Warst du damit beim Patentamt, oder können wir den bald als billige Kopie abgepackt an der Supermarktkasse kaufen, gleich neben Jägermeister und Tic Tac?«
»Wieso? Glaubst du, dass du bessere Witze ausatmest, wenn du dich besäufst?«
Kareem grinst breit, was seine Grübchen hervorragend zur Geltung bringt. Annette Hofbauer blickt unterdessen mit leicht geöffneten Lippen und glasigen Augen zwischen uns hin und her.
»Sie sind doch der
Dancing-Stars
-Gewinner, oder?«, piepst sie und schenkt Kareem ihr strahlendstes Lächeln.
»Ramy Kareem,
Radio Wien Eins
«, antwortet er routiniert, während er mir zublinzelt.
»Sind Sie … sind Sie angemeldet? Zum
Speeddating?
« Blondie unterstreicht das Fragezeichen mit leicht geöffnetem Schmollmund. Allmählich sind die Augen aller weiblichen Gäste auf unser kleines Grüppchen gerichtet.
»Auch
Dancing Stars
brauchen Liebe«, sagt Kareem, ohne die Miene zu verziehen. Unsere Gastgeberin kichert albern, eilt zu ihrem Tischchen und blättert mit zitternden Händen in ihren Papieren.
»Auch
Dancing Stars
brauchen Liebe?«, wiederhole ich leise. »Du solltest dir das auf ein T-Shirt drucken lassen. Also, raus mit der Sprache. Was willst du hier?«
»Weißt du, dass dir diese Falte oberhalb deiner Nase ganz ausgezeichnet steht, Dotti? Ja, genau die«, sagt er, als ich drohend einen Schritt auf ihn zu mache. »Schon gut. Mein Chef war begeistert von unserem kleinen Chat und wünscht einen exklusiven Bericht über dich auf
Radio Wien Eins.
Das ist die beste Werbung für deinen Blog und bringt ungeheure Publicity für die Mauerblümchenbewegung. Deine Redaktion war so freundlich, mir die Eckdaten deines Terminkalenders zu nennen. Ich bin also aus rein beruflichen Gründen hier, wie du.«
»Die
Mauerblümchenbewegung?
«
»Du hast einen Trend gesetzt, Dotti. Ich habe die Kommentare gelesen, das ist eine riesige Sache. Schau nur, was da draußen los ist. Hast du unlängst Facebook gecheckt? Dein Blog-Beitrag wurde heute über dreitausendmal geteilt. Du bist Top-Thema auf Twitter, in jedem Internetforum
Hot Topic,
und es wurden bereits Fanseiten des Mauerblümchenclubs eingerichtet. Du bist der Guru aller Singles dieses Landes!«
»Guru? Spinnen jetzt alle, oder was?«
Wir werden von drei tiefdekolletierten, bambiäugigen Mädels unterbrochen, die unbedingt Fotos mit Kareem machen möchten. Annette Hofbauer geht energisch dazwischen und verscheucht die ärgerlichen Fans wie gackernde Hühner. Dann legt sie besitzergreifend eine Hand mit leuchtend roten Fingernägeln auf Ramys Brust, während sie ihn mit Namensschild, Datenblatt und Informationen versorgt. Ich nutze den unbeobachteten Moment, um mir selbst ein Schild aus dem zweiten Karton zu fischen. Nachdem Blondie mich offensichtlich vergessen hat, sehe ich mich im Café um und suche mir einen freien Sitzplatz. An der mit dunklem Holz getäfelten Wand sind alle Tischchen für
POE
sucht
SIE
reserviert. Die Damen haben die bequemere Position auf der weinroten Lederbank, während die Stühle den wechselnden Herren vorbehalten sind. Zwischen einer scheuen Brünetten, die nervös mit ihrer Perlenkette spielt, und einer kleinen Molligen mit weißblondem Kurzhaarschnitt ist ein Tisch frei. Ich setze mich und nicke meinen Nachbarinnen freundlich zu. Deren Lächeln geht in ein Stirnrunzeln über, als ihre Blicke auf mein
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