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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Donnerstag, 10 . November
    »Ein Vogel? Noch mal von vorne und langsamer«, sagt Stella, als ich mit meinem Bericht fertig bin. Über den Rand ihrer Lesebrille funkelt sie mich an. »Eile backt das Brot, aber sie backt es schlecht, wie wir in Griechenland sagen.«
    »Nicht irgendein Vogel. Der fliegende Vogel. Stella, ich brauche deine Hilfe, und ich habe nur bis morgen Zeit. Das Symbol, das du mir geschenkt hast, der
Bead
an der Uhr, was hat er zu bedeuten?«
    Stella schnappt sich meine Hand und schiebt den Ärmel meines Pullovers hoch. Erst die Nacktheit meines Handgelenks verleiht dem Chaos Tiefenschärfe.
    »Wo ist die Uhr überhaupt? Warum trägst du sie nicht mehr?«
    Ich sehe meiner Freundin in die Augen, hole tief Luft und spreche aus, was mir seit gestern nicht aus dem Kopf geht.
    »Ich denke, dass djfleming die Uhr hat.«
    »Mister Schnitzeljagd?« Stella runzelt die Stirn. »Ich dachte, du kennst ihn nicht?«
    »Das tu ich auch nicht. Aber es gibt keine andere Erklärung. Erst habe ich vermutet, die Fährte, die er mir legt, richtet sich nach dem Kinderlied. Du weißt schon, diesem Song, den er mir im Radio spielen ließ.«
    »And the green grass grows all around, all around.«
Stella stimmt ein paar Takte an.
    »Genau der. Ich habe keine Ahnung, woher er wissen kann, dass Lady Lydia das immer mit mir gesungen hat, als ich ein Kind war. Doch darin geht es zumindest um ein Loch im Boden und um einen Baum. Aber was hat der Turnschuh damit zu tun, in dem ich die Botschaft gefunden habe? Warum musste ich mit dem Riesenrad fahren?«
    Stellas Mund formt ein kirschrotes O.
    »Die
Beads
«, flüstert sie.
    Ich nicke. »Der Turnschuh, der Baum, das Riesenrad und …«
    »Der Vogel«, beendet sie meinen Satz.
    »Der Vogel, genau. Fehlen nur noch Katharinas Bücher. Warum sollte ein wildfremder Mensch willkürlich seine Nachrichten an Orten hinterlassen, die den
Beads
meiner Uhr entsprechen? So viel Zufall findest du nicht mal in einem Roman von Dan Brown.«
    »Aber wie ist er denn an deine Uhr gekommen?«
    Das ist tatsächlich der schwierigere Teil der Geschichte, und ich zögere kurz.
    »Ich muss die Uhr in der Oper verloren haben.«
    Stella zieht hörbar die Luft ein. »Du hast deinen Glückskompass verloren?«
    Ich nicke zerknirscht. »Ja. Bei meinem Blind Date mit Geraldo. Das ist zumindest der letzte Zeitpunkt, an den ich mich erinnern kann, an dem ich sie hatte.«
    »Und jetzt denkst du, dass Geraldo djfleming ist?«
    Ich lasse die Bilder vor meinem inneren Auge vorbeiziehen. Allerdings ohne Tiefenschärfe.
    »Ich bin auf der Treppe gestürzt und habe dabei meine Kontaktlinsen verloren. Daher konnte ich nichts sehen. Geraldo war in der Nähe, ich glaube, er hat meinen Namen gerufen. Wenn ich die Uhr und die
Beads
da verstreut habe, könnte er sie genommen haben.«
    »Um sich dann bei
LiLo
unter neuem Namen anzumelden und mit dir dieses Spiel zu spielen? Traust du ihm das zu?«
    Ich denke darüber nach. Ich habe Geraldo an dem Abend einiges über mich erzählt. Vielleicht habe ich Lady Lydia erwähnt, und es ist möglich, dass irgendwann beim Thema Musik und Singen das Kinderlied genannt wurde. Wenn er nun weiterrecherchiert hat?
    »Ausschließen kann ich es nicht. Obwohl …«
    »Was?«
    »Da war noch jemand. Ein Typ, der mir aufgeholfen hat.«
    »Wie sah er aus?«
    »Keine Ahnung, ich war ja blind wie ein Maulwurf.«
    Verzweifelt reibe ich meine Schläfen, als könnte ich die Antworten aus meinem Kopf herausmassieren. »Doch seine Stimme, die klang irgendwie vertraut.«
    »Und was hast du jetzt vor?«
    »Ich muss den Vogel finden. Besser gesagt: die nächste Station. Aber ich habe dafür nur noch knapp vierundzwanzig Stunden Zeit.«
    »Von vorn, Dotti, von vorn!«
    »Ich suche einen Ort, der …«
    Es klopft zaghaft. Lorenz öffnet die Tür, in der rechten Hand ein Blatt Papier, in der linken sein Handy, das er unauffällig in seiner Hosentasche verschwinden lässt.
    »Was ist das?«
    »Äh. Nichts.«
    »Der Zettel, Lorenz. Was ist das für ein Zettel?«
    »Hm?«
    Zerstreut sieht er mich an. Ich deute auf das Papier.
    »Ist das für mich?«
    Er studiert den Inhalt des Wischs und reicht ihn mir schließlich schulterzuckend. Seit ich ihm heute früh zum ersten Mal nach der peinlichen Halloweenparty über den Weg gelaufen bin, trägt er diese abwesende Leidensmiene. Ich fühle mich schuldig und will gerade etwas zu ihm sa-gen, als sich ausgerechnet Ulrike

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