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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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über die Buchstaben. Und finde endlich, was ich gesucht habe, unmittelbar neben meinem Herz in einer mir nun schon vertrauten Handschrift.
     
    Furcht lässt uns die Dinge anders erscheinen, als sie sind (Miguel de Cervantes). Fürchte dich nicht, icherzählerin. Dein Ziel liegt in Luftlinie geradeaus. Du musst nur das Lied zu Ende singen. Achtundvierzig Stunden und zehn Minuten hast du Zeit, mich zu finden. Ich warte auf dich, hundertsiebenundfünfzig Jahre, bevor ich geboren wurde. Fünfunddreißig Sekunden lang.
    Dir verbunden,
    djfleming.
    Ein Zitat aus Don Quijote. Wie meines. Doch wie kann mein anonymer Internetflirt von einem Zitat wissen, das ich vor fast zwanzig Jahren in dieser Kabine hinterlassen habe? An einem Tag, als man wegen Besuchermangels den Fahrbetrieb für über eine Stunde einstellte. Das Mädchen in Kabine vierzehn hatten sie vergessen. Lady Lydia war fuchsteufelswild und wollte die Betreiber verklagen, ließ es aber bleiben, weil sie sich die Anwaltskosten nicht leisten konnte. Als man mich schließlich aus der Kabine holte, lag ich schweißüberströmt auf dem Boden und rief nach meiner Mummy. Erzählt habe ich davon niemandem, und seither bin ich nie wieder ins Riesenrad gestiegen, auch in kein vergleichbares Gefährt. Bis heute.
    Ich suche die Wand rund um djflemings Botschaft ab, vermag jedoch keinen zusätzlichen Text oder versteckten Hinweis zu finden. Nur diese verwirrende Ansammlung von Zahlen. Umrahmt ist die Schrift von einer ovalen Blase, die an einer Seite ein wenig breiter ist. Sie sieht fast aus wie ein … Ich lege den Kopf schief und betrachte das Gebilde aufgeregt. Ein Ei!
Und in dem Nest, da war ein Ei.
Das kann kein Zufall sein, immerhin schreibt er ja auch, dass ich das Lied zu Ende singen soll. Und in dem Ei …
    Hastig nehme ich das iPhone aus der Tasche, fotografiere erst djflemings Nachricht und dann die Aussicht aus dem Fenster der Riesenradkabine direkt darunter. Was immer das nächste Ziel ist, das zu finden ich kaum mehr als zwei Tage habe, es liegt genau in dieser Richtung. Und wenn mich nicht alles täuscht, handelt es sich um …
    Ich schlage mir mit der flachen Hand an die Stirn. Natürlich! Warum bin ich nicht viel früher darauf gekommen?
    Liebst du schon oder lebst du noch?
     
    Einspänner
    Mittwoch, 9. November
     
    Ich habe mich sehr über die vielen Rückmeldungen zum Thema Mauerblümchenclub gefreut. Anscheinend sind viele von euch meiner Meinung: Die Welt ist voller Doppelpacks. Das beginnt bei der Symmetrie unseres Körperbaus, geht über die Doppelfolgen bei Romantiksoaps bis hin zu Doppelluftmatratzen, Zweisitzern, Netzsportarten und jeder Form von nimm zwei, zahl eins.
    Ich persönlich bin ein großer Fan des Einspänners. Ob es sich nun um ein Fuhrwerk handelt, das nur von einem Pferd gezogen wird, um den berühmten Mokka im Glas mit Schlagobershaube oder ein einzeln serviertes Frankfurter Würstchen.
    McDonald’s, Burger King oder Starbucks leben, wie der gesamte Fast-Food-Sektor in erster Linie davon, dass die Nahrungsaufnahme zeitsparend, solistisch und unsozial erfolgen kann. Englische und amerikanische Supermärkte haben den Trend lange schon erkannt und sich darauf spezialisiert, alles in praktischen Einzelportionen abzupacken. Ob Salatschüssel, Frühstücksschinken oder Kirschtomaten. Das Problem dabei: Einzelernährung ist teurer als Doppelpack. Obwohl man nur die Hälfte des Inhalts bekommt, bezahlt man oft den gleichen Preis.
    Was mich nun seit der Anmeldung bei Literally in Love beschäftigt, ist folgende Frage: Suchen wir vielleicht gar nicht aus Einsamkeit einen Partner? Sind es in Wahrheit der Einzelzimmerzuschlag in Hotels und die verfaulende zweite Avocado im Kühlschrank (die wir nicht brauchen, aber gezwungenermaßen zum Angebotspreis kaufen), die uns dazu bringen, Online-Flirtplattformen zu benutzen? Wegwerfgesellschaft auf dem Weg zur Zweckgemeinschaft?
    Was wäre, wenn man den Markt revolutionierte? Angenommen, es gäbe bei allem und jedem immer exakt die Menge zu bezahlen, die man auch wirklich konsumiert. Keine Zuschläge, keine prozentual höheren Preise. Wären Doppelzimmer dann noch so beliebt? Würde nicht jeder sein Lieblingsgericht essen, anstatt der zweiten Portion?
    Wer also weiterhin die Meinung vertritt, dass Singles die Übriggebliebenen sind, sollte sich ernsthaft überlegen, ob man im Doppelpack nicht stets nur die Hälfte von etwas bekommt, während man den Einspänner ganz für sich allein genießen

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