Naschmarkt
ihr?«
»
Die Audienz.
Die Livetalkshow mit Roman Reifenstein. Er war mit mir bei
Dancing Stars,
seither sind wir dicke Freunde.« Ramy erhebt sich von der Schreibtischkante, zieht einen goldenen Umschlag aus seinem Jackett und reicht ihn mir. Ich habe genau den gleichen bereits etliche Male in den Händen der Promis gesehen, die zur »Audienz« geladen waren.
»Heute in einer Woche. Reifenstein ist der ideale Mann für dieses Thema, glaub mir.«
»In einer Woche? Wie soll ich mich in so kurzer Zeit vernünftig vorbereiten?«
»Keine Sorge, ich werde auch da sein. Ich pass schon auf dich auf.« Er zwinkert mir zu.
Ich weiß nicht genau, wann der Plot meines Lebens begonnen hat, auf die Katastrophe zuzusteuern, doch momentan sieht es definitiv nach einem schauerlich absurden Finale aus. Neue Prämisse: Recherche führt zum Tod.
»Kommt nicht in Frage. Ich mache mich doch nicht vor Publikum zum Affen.«
»Du kannst gar nicht mehr anders, Dotti«, gesteht er. »Es ist bereits an die Presseagenturen gegangen. Deine Show, deine Chance. Wenn du absagst, enttäuschst du jedes einzelne Mauerblümchen da draußen.«
Er sieht mich an wie Winnetou Old Shatterhand. Das hat er ja geschickt eingefädelt. Typisch Kareem. Alles arrangieren und mir keine Wahl lassen. Aber ich finde schon noch einen Weg, ihm das heimzuzahlen. Schon sehe ich mich mit Cowboyhut und Overknees einen Colt auf ihn richten.
Stirb, Rothaut!
»Peng. Ich meine gut. Einverstanden«, kapituliere ich. »Aber keine Intimitäten, klar?«
Ramy, der mit einer schwungvollen Bewegung meine Bürotür geöffnet hat, hält inne und wirft mir einen undefinierbaren Blick zu.
»Was denken Sie von mir, Ma’am?«
Ich denke, dass ich verdammt aufpassen muss in Gesellschaft dieses Mannes.
»Frau Charydis, es war mir ein Vergnügen, Sie ohne Tür wiederzusehen. Bis nächste Woche, Dotti!«, sagt er und verschwindet summend aus meinem Büro. Der kollektive Seufzer der weiblichen Redaktionsmitglieder draußen ist nicht zu überhören. In Dottis Kopfkino tänzelt Ramy wie Fred Astaire schwarz weiß durch die Schreibtische und wirft mit roten Rosen um sich, während Ulrike Plasnitsch eine perfekte Steppeinlage auf ihrem Stuhl hinlegt.
»Dotti? Träumst du schon wieder?«
»Hm?«
Stellas Stimme holt mich zurück in die Realität.
»Ich muss zurück an die Arbeit. Mir ist gerade ein Thema für die Wochenendbeilage eingefallen: der metrosexuelle Mann als Lustobjekt.«
Ihr Blick ist ebenfalls leicht entrückt, als sie eilig aus meinem Büro rauscht.
Ich werfe den bestimmt tausendsten Blick auf mein schmuckloses Handgelenk. Ist meine Uhr der Schlüssel zu all den Rätseln, die mich momentan von einem Chaos ins nächste stürzen? Und wenn ja, in welche Richtung lenkt mich der Kompass, und wie weit ist mein Countdown schon fortgeschritten?
Ich checke die Zeit auf meinem iPhone. Mist! Der Nachmittag rast dahin, und ich habe immer noch keine Anhaltspunkte, an welch mysteriösem Ort mich djfleming morgen erwartet.
Gedankenverloren greife ich nach dem Blatt Papier, das mir Lorenz vorhin überreicht hat. Augenblicklich beginnt mein Puls zu rasen. Es handelt sich um ein Fax an die Nummer der Kulturredaktion. Das Blatt ist leer bis auf drei Zeilen handgeschriebenen Textes:
@icherzaehlerin:
Die Bedeutung der Zahlen sollte man nicht unterschätzen!
+ 48104100
Der Boden schwankt unter meinen Füßen. Ich kenne die Schrift.
»Aber … aber … hick … das kannst du mir doch ni… hick … nicht antun!«
Das weinerliche Gestammel kommt aus der rechten, verschlossenen Toilette. Ein mir bekannter Tonfall in Kombination mit einem Paar knallroter, hochhackiger Pumps, die ich mit einem Blick unter der Tür durch ausmache, verrät mir, dass Sorina Loos sich für ein privates Gespräch aufs stille Örtchen zurückgezogen hat. Zum Glück hat sie nicht bemerkt, dass sie nicht mehr allein ist, und schluchzt hemmungslos weiter.
Auf Zehenspitzen schleiche ich mich in die linke Kabine und ziehe vorsichtig die Klotür zu. Sie quietscht ein wenig, aber Gott sei Dank leiser als meine Chefin nebenan. Ich hoffe nur, sie braucht nicht lange, denn eigentlich war das mein Plan, hier unbelauscht ein paar Recherchen anzustellen. Es bleibt mir wohl nichts übrig, als es im wahrsten Sinn des Wortes auszusitzen.
»Das interessiert mich einen Scheißdreck!« Das Geräusch einer wütend abgewickelten Klopapierrolle. »Seit zwei Jahren erzählst du mir jetzt, dass du sie verlassen wirst.
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