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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Plasnitsch an ihm vorbeiquetscht. Ihre Frisur sieht aus, als hätte sie in aller Eile Haargel und Haarspray zugleich hineingearbeitet und wäre anschließend in einen Orkan geraten. Ihre Hamsterbäckchen glühen schweinchenrosa.
    »Krim«, keucht sie.
    »Krim? Die Halbinsel?«
    »Krimhi…«
    »Krimhild? Die aus dem
Nibelungenlied?
«
    Stella feixt. Die Plasnitsch sieht sie böse an, strafft die Schultern und keift mir mit aufgerissenen Augen ins Gesicht: »Kareem ist hier! Der Radiomoderator!«
    Lorenz dreht sich auf den Absätzen um und verlässt mein Büro, ehe ich Gelegenheit habe, ein weiteres Wort mit ihm zu wechseln. Verdammt!
    »Ramy?«, rufe ich erschrocken und werfe das Blatt Papier achtlos auf meinen Schreibtisch. »Was macht der hier?«
    »Vielleicht will er sich entschuldigen. Ist das nicht schrecklich romantisch?« Stella nimmt ihre Lesebrille von der Nasenspitze und lässt sie flink in ihrer Handtasche verschwinden.
    »Eher lebensgefährlich«, murre ich.
    Die Plasnitsch hüpft panisch von einem Fuß auf den anderen, als müsste sie dringend für kleine Plasschnittchen. »Er wartet am Empfang. Er hat ausdrücklich gesagt, dass er zu Ihnen will, Frau Wil…«
    »Sagen Sie ihm, dass ich nicht im Haus bin.«
    »Zu spät.« Die Plasnitsch läuft noch schweinchenfarbener an. »Er … äh … weiß, dass Sie da sind. Er möchte Sie
persönlich
sprechen.«
    Aus ihrem Mund klingt das Wort irgendwie obszön.
    »Dann muss ich weg. Stella, ich brauche ein Versteck.«
    Meine Freundin schmunzelt.
    »Hast du zufällig diese Tintenbücher von Cornelia Funke irgendwo? Da kann man reinkriechen.«
    Kriechen ist das Stichwort. Ich gehe auf die Knie und krabble auf allen vieren unter meinen Schreibtisch.
    »Sei nicht albern!« Stella beugt sich zu mir hinunter und sieht mich streng an. Einen Moment lang schimmert eine Spur von
Vesuvia,
der Kämpferin, in ihren dunklen Augen. »Seit wann versteckst du dich vor einem
Mann?
«
    Sie hat recht. Männer werden sowieso generell überbewertet, und jede Frau, die ihretwegen Herzrhythmusstörungen oder ähnliche Gemütserkrankungen erleidet, sollte man zur Abschreckung eine Woche bei Wasser und Brot in einen Gorillakäfig sperren. Trotzdem ist mir mulmig zumute, als die Plasnitsch davoneilt und keine Minute später in Begleitung eines riesigen Bouquets wiederkommt, während ich unter dem Tisch hervorkrabble. Seitlich neben den Blumen (rote Rosen, was sonst?) taucht Ramys Ken-Kopf auf. Meine Wangen erwärmen sich um mehrere hundert Grad, typisch. Die Erinnerung an den Fake-Kuss klebt hartnäckig an meinen Lippen und fühlt sich leider überhaupt nicht falsch an. Ganz im Gegenteil.
    »Hallo, Dotti!«
    Da steht er in meiner Bürotür, perfekt gestylt wie immer, kaum noch ein blauer Schatten von seiner Begegnung mit selbiger Tür auf der Bilderbuchnase, mit dem unverwechselbaren Grübchengrinsen im Gesicht. Ich habe plötzlich das starke Bedürfnis, ihm ein paar Falten ins Hemd oder Flecken auf die Hose zu machen, und stelle mir mit Genugtuung vor, wie er auf etwas Glattem ausrutscht oder in etwas Stinkendes tritt.
    »Ramy«, begrüße ich ihn und ziehe mich an der Schreibtischkante hoch, bis ich auf wackeligen Beinen zum Stehen komme. Zwar bin ich so immer noch einen Kopf kleiner als er, aber wenigstens könnte ich ihm jederzeit auf die Zehen treten. Die Plasnitsch beobachtet uns mit leicht geöffnetem Mund, und Stella zwinkert mir ermutigend zu. Ich räuspere mich und wische hastig eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. Meine Stimme zittert ein wenig. Und war-um, zum Teufel, komme ich mir gerade vor, als hätte mich Sophie Kinsella erfunden?
    »Du hast das Speeddating neulich ja wörtlich genommen und besonderen Wert auf die Schnelligkeit deines Abgangs gelegt«, sage ich lauter als nötig.
    »Ja, sorry, Dotti«, er grinst schief, und bei genauerer Betrachtung würde meine Faust wunderbar auf seine Nase passen, »das war eine blöde Situation.«
    »Blöd?«
    »Peinlich.«
    »Ach.«
    »Die Falte, ich habe sie schon vermisst.«
    Ich verschränke die Arme vor der Brust und versuche, mich so groß wie möglich zu machen. Stella an meiner Seite verkörpert perfekt die strenge Matrone, und die Plasnitsch hechelt förmlich vor Schaulust. Tatsächlich flackert Ramys Blick ein wenig. Er sieht unsicher von einer zur anderen, als hätte er gerade begriffen, dass er sich nicht vor, sondern direkt im Käfig mit den hungrigen Löwinnen befindet. Naschzeug für gestresste

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