Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
Vom Netzwerk:
auf das seltsame Tier zu. Es schien ihn zu erkennen, denn es hob ein paarmal den Kopf und stieß einen pfeifenden Laut aus. Verba streichelte ihm über den Kopf und winkte Saiph herbei. »Komm schon, du musst keine Angst haben.«
    Er gab sich einen Ruck und trat näher. Den Kopf ein klein wenig geneigt, schaute das Tier ihn aus seinen riesengroßen, ausdruckslosen Augen an. Saiph hatte keine Ahnung, was ihn erwartete.
    »Das ist Kalatwa«, sagte Verba. »In meiner Sprache bedeutet das ›Dame‹ oder auch ›feine Dame‹. Du musst sie erst einmal fliegen sehen …«
    Er streichelte sie noch ein wenig, kraulte ihr den Rücken, und Kalatwa antwortete, indem sie ein paarmal behaglich schnalzte.
    »Was ist das für ein Tier?«, fragte Saiph ängstlich.
    »Ein Insekt, das siehst du doch.«
    »Aber es ist so … groß.«
    »Hier in diesem Gebirge leben einige Schwärme solcher Insekten. Ich nenne sie Pa’tlaka, das bedeutet so viel wie ›unermüdliche Flieger‹.«
    »Hast du allem hier einen Namen gegeben?«
    »Ja, auf diese Weise kann man sich gut die Zeit vertreiben. Komm näher, sie beißt nicht.«
    Mit kleinen, unsicheren Schritten wagte sich Saiph näher heran, und Verba ergriff seine Hand und legte sie Kalatwa unter das Maul. Das Tier bog seine langen, dünnen Fühler, die auf seinem Kopf in die Höhe standen, zu ihm herab und tastete ihn sanft ab. Saiph verzog das Gesicht: Es kitzelte.
    »Kalatwa nimmt die Welt um sich herum mehr mit den Fühlern als mit den Augen wahr«, erklärte Verba. Zufrieden zog das Insekt die Fühler zurück. »Jetzt kennt sie dich und weiß, dass du ein Freund bist. Sie wird dir niemals etwas tun.«
    Dann belud Verba Kalatwa mit ihren Quersäcken. Saiph sah nur zu und versuchte, sich an dieses seltsame Tier zu gewöhnen. Für seinen Geschmack ähnelte es zu sehr jenem Rieseninsekt, das Mareth verspeist hatte.
    »Auf einer meiner ersten Reisen in die Wüste haben wir uns gefunden, und seitdem sind wir unzertrennlich.« Während er das erzählte, band er Kalatwa eine ähnliche Maske, wie sie beide sie trugen, vor das Maul. Dann blickte er sich um.
    »Es ist schon seltsam«, sagte er, »aber genau von hier stammt ihr alle, du und alle Angehörigen der beiden Rassen, die jetzt in Talaria leben.« Er zeigte auf die Höhle. »Du hast ja gesehen, hier gibt es Olakite im Überfluss und Wasser auch. In der Zeit nach der Katastrophe gab es nirgendwo auch nur einen Tropfen: Es dauerte viele Monate, bis es endlich wieder einmal regnete. Aber in dieser Höhle herrschte an Wasser nie Mangel. So habe ich damals, hier unten eingeschlossen, jene Zeit überstanden.« Er zog die Riemen an Kalatwas Flanken an. »Und ich habe miterlebt, wie sich von hier aus das Leben nach der Tragödie neu entfaltete.«
    Saiphs Herz schlug schneller. Er kannte die Schöpfungsmythen, in denen erzählt wurde, wie Mira aus dem Nichts die Welt erschaffen und jede Region Talarias einem eigenen Gott überantwortet hatte, der sie bevölkern, gestalten und verschönern sollte. Jetzt aber wusste er nicht mehr, was er noch glauben sollte. In keinem Mythos kamen die Assyten vor, nirgendwo wurde die große Katastrophe erwähnt, die vor zehntausend Jahren das Antlitz Nashiras von Grund auf verändert hatte. Alles, was er über die Entstehung der Welt zu wissen glaubte, erwies sich als haltlos. Aber vielleicht würde er bald die wahre Geschichte erfahren.
    »Und … und hast du tatsächlich miterlebt, wie das Leben entstand?«, fragte er, während ihm das Herz bis zum Hals klopfte.
    »Ja, das habe ich. Und die Entwicklung verlief rasend schnell. Fünf- oder sechstausend Jahre, länger hat es nicht gedauert.«
    »Aber das ist doch eine Ewigkeit.«
    Verba lachte schallend. »Glaub mir, das ist nichts. Aber auf alle Fälle begann es hier im Wasser bald von Lebewesen zu wimmeln: zunächst eine Art Würmer, dann Fische … Nach und nach haben sich dann immer kompliziertere Geschöpfe entwickelt, bis ihr schließlich entstanden seid.«
    »Dann gab es also nicht diesen einen Schöpfungsakt, keine Mira, keine Alya …«
    Verba sah ihn an, als habe er einen Idioten vor sich.
    »Esgab nichts , Saiph, verstehst du? Nichts . Und dann, nach einigen Tausend Jahren, seid ihr gekommen. Ist das für dich keine Schöpfung? Ist das kein Wunder? Wenn du mich fragst, ob ich gesehen habe, wie Mira aus der Unterwelt hierher aufstieg und alles erschuf, muss ich verneinen. Trotzdem war es ein Wunder.«
    »Ja, natürlich … ein Wunder«, sagte Saiph, begriff

Weitere Kostenlose Bücher