Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
was ich schon alles getan habe. Wovor sollte ein Mann wie ich denn noch Angst haben?«
»Davor, dein Herz noch einmal an etwas oder jemanden zu hängen und wieder alles zu verlieren. Zu hoffen und wieder enttäuscht zu werden. Dein Körper mag alles gut überstanden haben, Verba, aber deine Seele nicht«, sagte Saiph, ohne den Blick von den Augen des Mannes vor ihm abzuwenden.
Der nickte. »Ich habe gleich erkannt, dass du anders bist. Vielleicht war es doch kein Fehler, mich von dir finden zu lassen.«
»Ist das ein Ja?«, fragte Saiph.
Verba antwortete nicht. Er wandte Saiph den Rücken zu und hüllte sich in ein langes Schweigen.
Saiph ließ es geschehen und wartete, wobei er sich auf sein Lager setzte und den Rauchkringeln nachsah, die träge zur Höhlendecke hinaufschwebten.
Da warf Verba seine Pfeife auf den Tisch und stand auf. »Es ist ein Ja«, sagte er. »Und jetzt beweg dich, bevor ich es mir anders überlege. In einer Stunde brechen wir auf.«
34
V erba versorgte Saiph mit einer Maske, deren Innenseite wieder mit einem Gelee bestrichen war. Es roch noch stärker als das der Aritella-Sträucher, und seine Wirkung würde, wie Verba ihm versicherte, noch länger anhalten. Auch er trug eine solche Maske, obwohl er behauptet hatte, auch ohne solch ein Hilfsmittel lange ohne Atemluft auskommen zu können. Schnell verstauten sie noch Proviant und Decken in zwei Quersäcken, dann waren sie abmarschbereit.
Sie schlugen einen Pfad ein, der von den Höhen der Marini-Berge, wo Saiph das Bewusstsein verloren hatte und wo Verbas Unterschlupf lag, hinunterführte. Er schlängelte sich über einen Kamm, der das Panorama in zwei Hälften teilte: Zu einer Seite lag die Große Weiße Ebene, zur anderen sah man das sanft geschwungene Profil niedriger Hügel. Saiph versuchte sich vorzustellen, wie das alles ausgesehen haben mochte, als es noch von Wasser bedeckt war, aber die Szenerie wirkte so unwirklich, dass es ihm kaum gelang.
»Woher kommt denn das Wasser, das deinen See speist?«, fragte er irgendwann.
»Hin und wieder regnet es. Ungefähr einmal im Monat.«
»Und das reicht, damit er nicht austrocknet?«
»Offenbar«, antwortete Verba. Die Fragerei schien ihm auf die Nerven zu gehen, und Saiph bohrte nicht nach. Dennoch meinte er, in Verbas Miene etwas Unausgesprochenes zu entdecken, worüber er nicht sprechen wollte.
Bis zur sechsten Stunde nach Sonnenaufgang folgten sie dem Pfad und gelangten zu einer Grotte, die sich etwas unterhalb im Fels öffnete. Ohne eine Erklärung kletterte Verba hinein, und Saiph blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Sie liefen über einen schmalen Absatz, der an der Wand einer großen Höhle entlangführte. Es ging leicht bergab, und je tiefer sie kamen, desto feuchter wurde die Luft, bis sie irgendwann durch flaches Wasser wateten, das ihnen bald bis zu den Knöcheln reichte. Der Fels strahlte in einem ruhigen, bläulichen Licht, das die Höhle fast taghell erleuchtete.
Saiph blieb der Mund offen stehen: Es musste sich um eine Lagerstätte von Luftkristall handeln. Hätten die Talariten davon gewusst, wären sie scharenweise herbeigeströmt, um ihn abzubauen. Da erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit: ein seltsames Schnarren, wie er es noch nie im Leben gehört hatte. Er senkte den Blick, und eine Mischung aus Furcht und Staunen überkam ihn.
Etwas entfernt im Wasser stand ein Insekt von mindestens fünf Ellen Länge und einem schlanken, gewundenen Körper. Die Augen in seinem großen runden Kopf glitzerten hell wie zwei blaue Edelsteine. Ein langer Stachel erhob sich mächtig von seinem Unterleib, doch noch beeindruckender waren die Scheren, die aus seinem Maul hervorragten. Schaudernd dachte Saiph daran, wozu das Tier mit diesen Waffen imstande war. Anmutig wirkten dagegen die vier Flügel, zwei größere, und zwei etwas kleinere, die paarweise am oberen Teil seines Körpers, gleich hinter dem Kopf saßen. Sie waren vollkommen durchsichtig, sodass er ein Netz rötlicher Äderchen darunter erkennen konnte, und schimmerten fast himmelblau in dem Licht, das die Kristallwände der Höhle abgaben. Ganz ruhig stand das Tier da, bewegte nur leicht die Flügel, wodurch das schnarrende Geräusch entstand, das Saiph gehört hatte. Der restliche Körper bestand aus verschiedenen, miteinander verbundenen Ringen, die in herrlichen Violetttönen glitzerten.
Auf seinem Rücken war ein Ledersattel geschnallt, wie er auch zum Drachenreiten benutzt wurde. Zügig hielt Verba
Weitere Kostenlose Bücher