Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
immer befürchtet, doch die Hand auf ihrem Mund war von dunkler Hautfarbe, also talaritisch. Eine Verschwörung , dachte sie. Der Mann, der sie mit eisernem Griff festhielt, hatte ihr etwas auf das Gesicht gedrückt, das einen stechenden Geruch ausströmte und der Königin das Atmen schwer machte. Sie versuchte noch, den Kopf zu schütteln, doch eine eisige Kälte breitete sich von der Brust in Arme und Beine aus.
»Ganz ruhig, ganz ruhig … es ist gleich vorbei«, sagte die Stimme.
Aruna spürte noch, wie sie zu Boden sank, während ihre Wahrnehmung der Welt einem diffusen Grau und dann dem Nichts Platz machte. Sogar die Furcht hatte sich aufgelöst, geblieben war nur ein benommenes Staunen. So endet es also mit mir , ging es ihr durch den Kopf.
Das Letzte, was sie sah, war das Gesicht ihres Mörders, das harmlose Gesicht eines Talaritenjungen.
»Mit herzlichen Grüßen von Graf Megassa«, sagte er mit einem Lächeln.
37
D as Kloster Letora war erobert und seit einigen Tagen das neue Hauptquartier der Rebellen. In dieser Nacht war der große Platz, wo die Priester vor Kurzem ihre Versammlungen abgehalten hatten, verwaist. Talitha überquerte ihn auf ihrem Weg zu den Unterkünften der Novizen. Sie lagen hintereinander auf einem Korridor und waren daher leicht zu überwachen, sodass sie in Kerkerzellen für die wenigen überlebenden Talariten umgewandelt worden waren.
Am Eingang zum Korridor trat ihr eine Wache in den Weg. »Was willst du hier?«, fragte der Rebell.
»Ich muss mit einem Gefangenen sprechen.«
Die Wache schaute sie ratlos an. »Hast du eine Genehmigung? Mir hat keiner Bescheid gesagt.«
»Nein, aber das dürfte wohl kein Problem sein. Du kennst mich und weißt, dass ich niemanden laufen lasse.«
»Und ob das ein Problem ist. Wenn das raus kommt, bin ich dran.«
»Es dauert nicht lange.«
Der Rebell seufzte. »Gut, schließlich haben wir Seite an Seite gekämpft. Wie könnte ich dir da misstrauen? Welchen Gefangenen meinst du?«
»Eigentlich ist es eine Gefangene. Die Kombattantin.«
Die Wache nickte. »Dann komm.«
Er führte Talitha den Gang entlang. Durch die Zellentüren drang schwaches Wehklagen sowie der strenge Geruch der Gefangenen zu ihnen, die man ohne Wasser und Nahrung sich selbst überlassen hatte. Talithas Herz verkrampfte sich, sie ließ sich aber nichts anmerken.
Vor einer Zelle blieb die Wache stehen. »Hier ist sie«, sagte er und öffnete die Tür. »Aber mach’s kurz. Ich will meine Großzügigkeit nicht bereuen.«
»Du hast mein Wort«, sagte Talitha.
Sie trat ein, während sich die Tür hinter ihr schloss. Seit ihrer Zeit in Messe hatte sie keinen Fuß mehr in eine Klosterzelle gesetzt. Es war ein seltsames Gefühl. Alles war ihr vertraut und gleichzeitig fremd: das Bett an einer Seite, an der gegenüberliegenden Wand das Regal, dann die Kniebank, das winzige Fenster.
Kora war an das Kopfteil des Bettes gefesselt, die Hände steckten in Holzblöcken mit einer schweren Kette dazwischen. Mit bleichem Gesicht lag sie auf der Seite, das Kombattantinnengewand blutverschmiert durch die Wunde, die sie selbst, wie Talitha mit Schrecken bewusst wurde, ihr zugefügt hatte.
Talitha bückte sich und holte eine Feldflasche aus ihrer Tasche, die sie der Gefangenen an die aufgerissenen Lippen hielt. Kora öffnete die Augen, und ihr Gesicht verzog sich zu einer ängstlichen Miene.
»Ich bin’s, Talitha, komm, trink. Das ist Wasser.«
Kora streckte eine festgekettete Hand aus, griff zu und trank gierig.
»Solch einen Durst hatte ich noch nie …«, sagte sie schwach.
»Ich hab dir auch was zu essen mitgebracht«, sagte Talitha und reichte ihr einen Kanten Brot. »Was du nicht isst, versteckst du unter der Matratze. Es ist besser, wenn man hier nichts findet.«
»Ich hab keinen Hunger«, stöhnte Kora, wobei sie sich wieder auf das Lager fallen ließ.
Talitha betastete ihre Stirn. Sie glühte. Offenbar hatte sich die Wunde, obwohl sie nicht sehr tief war, entzündet. Sie nahm ihren Luftkristall in die Hand und sprach einen kurzen Heilzauber.
Kora lächelte. »Es ist schön, dass ich hier offenbar eine Freundin habe. Ich wusste nicht, dass du dich den Rebellen angeschlossen hast.«
»Und ich wusste nicht, dass aus dir eine Kombattantin geworden ist.«
»Das bin ich gar nicht.« Kora erzählte ihr von der Ermordung der Kleinen Mutter und von ihrer Flucht. »Durch den Aufzugschacht bin ich irgendwie hinuntergelangt«, sagte sie, »und dann bin ich weiter zur Hauptader
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