Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
Vom Netzwerk:
geflohen, wo ich mich unter die Leute gemischt habe. Die Kombattantinnengewänder habe ich unterwegs in einer Herberge mitgehen lassen. Ich dachte, es ist am klügsten, wenn ich zunächst einmal Messe so weit wie möglich hinter mir lasse. Deshalb bin ich nach Norden gezogen.«
    »Aber hier herrscht Krieg, Kora … Einen schlechteren Ort hättest du dir nicht aussuchen können!«
    Kora nickte. »Ja, das weiß ich jetzt auch. Aber im Kloster sah die Welt noch ganz anders aus. Da haben uns zwar auch die Meldungen von den Aufständen erreicht, aber das schien alles so wahnsinnig weit weg und so unwirklich …«
    »Hast du nie daran gedacht, Grele anzuzeigen, anstatt einfach wegzulaufen?«
    »Bei wem denn? Bevor ich überhaupt einen klaren Gedanken fassen konnte, was ich tun sollte, hingen schon überall Steckbriefe mit meinem Bild und der Belohnung, die auf mich ausgesetzt ist. Niemand hätte mir geglaubt.« Kora lächelte verbittert. »Grele wird von deinem Vater protegiert, und der ist zum großen Helden dieses Krieges aufgestiegen.«
    Talitha musste der Freundin recht geben. Sie lebten in einer Welt, in der die Wahrheit sehr viel weniger zählte als Rang und Rasse.
    »Was werden sie mit mir machen, Talitha?«, fragte Kora nach einem längeren Schweigen.
    »Gar nichts, da kannst du sicher sein. Ich werde nicht zulassen, dass man dir etwas antut.«
    »Aber die Femtiten hassen mich, weil ich Talaritin bin. Vielleicht kann ich das sogar verstehen. Meine Sklaven wurden zwar immer gut behandelt und haben nie den Strafstock kennengelernt. Aber es hat mir auch gefallen, wie sie mir dienten, und ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass ihr Leben auch anders aussehen könnte.«
    »Das hat niemand von uns, Kora. Das dauert, bis man das ganz verstanden hat.«
    »Aber die Zeit werden sie mir nicht geben. Vorher werden sie mich hinrichten.«
    Talitha ergriff ihre Hände. »Pass mal auf. Vor nicht allzu langer Zeit wäre das vielleicht noch so gewesen. Aber immer mehr Rebellen erkennen, dass wahllose Hinrichtungen ungerecht sind. Deswegen wird es zum ersten Mal ein richtiges Verfahren geben.
    »Und werde ich mich verteidigen können?«
    »Ja. Und ich werde dir beistehen. Außerdem könnten die Dinge, die du über meinen Vater weißt, sehr hilfreich für uns sein, eine Waffe im Kampf für unsere Sache. Es muss sich herumsprechen, dass mein Vater mit dem Mord an der Kleinen Mutter zu tun hat, dann wird er bei Hofe große Schwierigkeiten bekommen.«
    Kora blickte Talitha lange an und nickte. »Das hoffe ich«, sagte sie und drückte ihr die Hände. »Das hoffe ich sehr.«
    »Komm, Talitha, es reicht«, hörten sie die Stimme der Wache, die den Kopf zur Tür hereinsteckte.
    Talitha stand auf. Es fiel ihr schwer, Koras Hände loszulassen. »Verlier nicht die Hoffnung. Ich stehe auf deiner Seite, immer.« Noch einmal drückte sie die Hände der Freundin, wandte sich ab und verließ die Zelle.
    Der Schlag, mit dem die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, rief düstere Vorahnungen in ihr wach.

    Die Verhandlung fand drei Tage später im Tempel statt. Nach der Eroberung war das Kloster von den Siegern geplündert und entweiht worden. Zwar glaubten Femtiten und Talariten an dieselben Götter, doch wichen die religiösen Anschauungen, auf denen sich ihr Glaube gründete, stark voneinander ab. Sahen die Talariten die Versklavung der Femtiten durch die Religion gerechtfertigt, so hielten sich die Femtiten für das a userwählte Volk, dem es vorherbestimmt war, mit Miras Hilfe im Wald der Wiederkehr eine neue Heimat zu finden. Aus diesem Grund war das Kloster verwüstet worden: Für die Femtiten handelte es sich um einen Ort, an dem der wahre Glaube verfälscht und durch eine Ketzerlehre ersetzt worden war.
    Obwohl Talitha sich nicht als gläubig bezeichnet hätte, versetzte es ihr einen Stich, als sie den Tempel betrat: Überall sah sie Brandspuren, die Wände waren blutbespritzt, die Glasfenster zerbrochen, Statuen enthauptet. Der Altar, hinter dem sich eine Tafel mit einer Darstellung Miras erhob, war aller liturgischen Gegenstände beraubt. Das einst prächtige Gemälde war zerkratzt und mit obszönen Zeichen übersät. Alles in diesem Tempel zeugte von einem unbändigen Hass.
    Die Geschworenen und der Richter hatten vor dem Altar Platz genommen. Sie trugen Roben, die einmal zeremonielle Priestergewänder gewesen waren. Nun waren alle talaritischen Symbole abgerissen und durch das ersetzt worden, das sich zu einem Wappen des Aufstands

Weitere Kostenlose Bücher