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Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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solch ein Ende verdient?«, fragte Talitha wütend.
    »Nein. Ob du es glaubst oder nicht, ich kann deine Rasse nicht so pauschal als Feind sehen. Auch du bist eine Talaritin, genau wie deine Schwester es war, oder auch Lanti und all die anderen Talariten, die mich mit Respekt behandelt und mir geholfen haben: Wie könnte ich sie hassen? Ich weiß, dass es sehr viele Talariten gibt, die keine Schuld auf sich geladen haben, und ich will nicht, dass sie sterben. Und ich will auch nicht, dass du dich in blutige Auseinandersetzungen verwickeln lässt.«
    Einen Moment lang stand Talitha reglos da und machte dann eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, mach doch, was du willst«, sagte sie, wandte sich ab und wanderte weiter.
    Trotz allem erlaubte sich Saiph ein erleichtertes Lächeln.

5
    A m dritten Tag ihrer Wanderung begannen die Talareths immer kleiner und lichter zu werden. In dieser trostlosen Einöde aus Eis bis zum Horizont stießen sie auf gerade einmal vier oder fünf Bäume, die kränklich und kümmerlich wirkten, verglichen mit den imposanten Talareths, die sie kannten und die das Leben in Talaria ermöglichten.
    Einige Augenblicke verharrten sie an den äußersten Zweigen des letzten Talareths. Die Luft war extrem dünn, und beide atmeten schwer. Sorgenvoll blickte Talitha auf die Luftkristallanhänger, die, an einem kleinen Talarethzweig befestigt, um ihren Hals hingen. Sie schimmerten schwach und würden sie über viele Meilen in dieser kalten Einöde mit Atemluft versorgen müssen. Und danach? Das Unbekannte.
    Über den Verbotenen Wald waren die haarsträubendsten Geschichten im Umlauf: Dort soll es keinerlei Luft geben oder die Luft sogar mit giftigen Gasen angereichert sein, sodass ein Atemzug genüge, um unter entsetzlichsten Qualen zu sterben. Und dann ging die Sage, dass der Wald von blutrünstigen Bestien bewohnt sei und von einem mächtigen Zauberer, der ihn mit seiner Niedertracht und seinen zerstörerischen Kräften durchtränkt habe.
    Aber die Luft war nicht der einzige Grund, weshalb sie unter dem Geäst dieses letzten Talareths haltmachten. Sie empfanden Ehrfurcht vor dem Ungewissen, das sie erwartete. Ihnen war bewusst, dass sich mit dem nächsten Schritt alles ändern würde. Jede noch so kleine Geste bekam etwas Feierliches. Den Himmel hatten sie bereits gesehen, als sie damals zum höchsten Punkt des Klosters hinaufgeklettert waren, in jener Nacht, als die ganze Anlage niederbrannte und sie Hals über Kopf geflohen waren. Aber da war es dunkel gewesen, und funkelnd hatten nur die Sterne und die beiden Monde über ihnen gestanden. Doch selbst das war ein Schauspiel von erschreckender Schönheit gewesen. Und als sie später auf einem Drachen in Richtung Reich des Winters flogen, war der Himmel von schweren Wolken verhangen, die die beiden Sonnen verdeckt hatten. Daher hatten sie im Grunde das letzte Tabu noch nicht gebrochen, das Tabu, auf dem die gesamte Existenz Talarias gründete: Miraval und Cetus zu schauen.
    Der Himmel war erbarmungslos blau. Egal, wohin sie blickten, zeichnete sich bis zum Horizont kein einziges Wölkchen ab. Die Ödnis der Eiswüste, die sich zu ihren Füßen ausbreitete, schien sich in diesem brutal klaren Himmel zu spiegeln. Sie sagten kein Wort, doch im Herzen wussten beide, dass der andere die gleichen Ängste verspürte. Sie waren froh, zusammen zu sein.
    Und zusammen machten sie sich wieder auf den Weg. Drei Schritte, und zum ersten Mal in ihrem Leben waren sie tatsächlich draußen, bewegten sich unter dem grenzenlos weiten Himmel Nashiras. Alles war noch wie zuvor, und dennoch hatte sich alles verändert. Entblößt kamen sie sich vor, so als könnte jeden Moment ein Ungeheuer vom Himmel herabkommen, um sie zu verschlingen, oder Mira sie mit einem Blitz erschlagen, weil sie es gewagt hatten, ihr erstes und wichtiges Gebot zu übertreten.
    Talitha gab sich einen Ruck und hob den Kopf, musste ihn aber gleich wieder sinken lassen. Sie hatte immer gewusst, dass das Licht der beiden Sonnen gleißend war, denn auch damals, als sie zwischen den breiten Blättern des Talareths von Messe hindurch zu ihnen aufgeblickt hatte, hatten deren Strahlen sie getroffen. Aber niemals hätte sie geglaubt, dass das bloße ungeschützte Anschauen so wehtun könnte. Sofort brannten ihre Augen, und als sie sie schloss, zeichneten sich auf ihren Lidern zwei grell weiße Kreise ab, der eine klein und strahlend, der andere größer und matter. Da waren sie, Miraval und Cetus, Gut und Böse,

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