Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
die durch Membranen verbunden waren, mit denen sie fliegen konnte. Sie zu fangen war dadurch umso schwerer gewesen.
»Auch der Hunger ist ein Meister im Töten«, bemerkte Saiph, während er weiter brav Löffel für Löffel seines Krauts hinunterwürgte. »Nicht verzagen, vielleicht finden wir ja im Verbotenen Wald etwas Besseres für uns. Außerdem gibt es auch gute Neuigkeiten.«
Talitha blickte ihn fragend an, und Saiph deutete mit dem Kinn auf den Horizont.
»Siehst du diesen dunklen Streifen dort?«
Talitha schaute in die Richtung, konnte aber nichts Besonderes erkennen. »Nein.«
»Ich habe eben bessere Augen als du. Da liegt der Verbotene Wald.«
Sie schaute noch einmal genauer hin, sah aber nichts als weiße Eisflächen. »Nein, da ist gar nichts. Vielleicht siehst du schon Gespenster, oder das Thurgankraut ist dir doch zu Kopf gestiegen.«
»Nein, das ist keine Fata Morgana: Ich sehe ihn genau, einen dunklen Streifen, so deutlich wie ich dich vor mir sehe.«
»Tatsächlich. Und wie weit, glaubst du, wird es noch sein?«
»Keine Ahnung. Aber wir machen uns am besten gleich wieder auf den Weg. Umso schneller finden wir es heraus.«
Sie wanderten weiter, doch bald quälte heftiger Schneefall sie. Es war ein eigenartiger Schnee, der wie aus dem Nichts kam, denn die Luft war klar und rein und das Eis trocken. Der Schnee aber blieb an ihnen kleben wie eine schmierige Substanz, die kaum wegzubekommen war.
Noch langsamer und mühsamer wurden ihre Schritte. Immer wieder klopfte sich Saiph im Gehen die Kleider ab. Dann löste sich einen Moment lang die weiße Schicht, erstarrte zu einem dichten Wölkchen und heftete sich dann wieder an, so als verfügten die Flocken über einen eigenen Willen.
Unterdessen hatte auch Talitha den dunklen Streifen am Horizont, der nun immer deutlicher wurde, entdeckt. »Komm, auf, es ist nicht mehr weit«, machte sie Saiph und sich selbst Mut, wobei dieser seltsame Schnee sie immer mehr beunruhigte.
Sie ergriff Saiphs Hand und marschierte noch entschlossener vorwärts, doch jeder Schritt fiel ihr schwer. Hatten sie zuvor aufpassen müssen, nicht ständig auszurutschen, so war es nun, als halte etwas ihre Füße am Boden fest. Talitha blickte ihre Beine hinunter. Sie waren mittlerweile dick von Schnee umhüllt, und bei Saiph war es noch schlimmer, denn der war bereits bis zur Brust eingeschneit. Schneewolken stiegen aus dem Boden auf. Träge milchige Spiralen wanden sich um ihre Körper, und trotz der Kälte spürte Talitha, wie ihr Schweißtropfen den Rücken hinabrannen. »Wir müssen hier weg!«, rief sie erschrocken.
Sie versuchten fortzukommen, doch ihre Beine waren wie angewachsen. Saiph fiel der Länge nach hin, und kaum berührten seine Hände den Boden, überzogen diese wabernden Schneewolken sie.
Talitha ging auf die Knie und wollte ihm helfen, die Hände zu lösen, vergeblich. »Was ist das für ein Zeug?«, rief sie.
»Ich weiß es nicht, aber ich friere fest!« Saiph zappelte und w and sich verzweifelt, soweit ihm das noch möglich war, wäh rend der Schnee ihn immer dichter umhüllte und seine Kleider bedeckte.
Als Talitha merkte, dass auch ihre eigenen Hände festfroren, riss sie erschrocken die Arme hoch. Ihre Füße waren schon nicht mehr zu sehen, waren am unteren Ende zweier klobiger weißer Säulen, die ihr bis zur Hüfte reichten, mit dem Boden verschmolzen. Eine schauderhafte Kälte durchdrang ihre Glieder. Wütend zog sie das Schwert, das sie auf dem Rücken trug, und schlug mit der flachen Seite gegen diese Säulen, die sich aber nicht rührten und fest wie Stein geworden waren. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich der Schnee zu einer undurchdringlichen Eisschicht verdichtet. Noch einmal schlug Talitha dagegen, und wieder und wieder, während sich Saiph vor ihr immer mehr in einen Schneeberg verwandelte und verzweifelt um Luft rang.
»Saiph, verflucht noch mal, wehr dich!«, schrie sie.
Doch er konnte sie nur noch bestürzt anstarren: Auch sein Hals war schon eingefroren.
Talitha schrie aus voller Kehle und schlug mit voller Wucht auf ihre erstarrten Beine ein. Endlich löste sich ein schwerer Eisblock unter einem Knie. Sie schlug weiter mit aller Kraft zu, und endlich befreite sie ihre Beine. Doch von Saiph war nichts mehr zu sehen: Nur noch die groben Umrisse seiner Gestalt waren unter der dicken Eisdecke zu erahnen.
In unzähligen kleinen Wirbeln rotierte der Schnee um sie herum, und Talitha musste sich der schauerlichen Einsicht beugen,
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