Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
zischend das Maul und legte zwei lange Reißzähne bloß.
Talitha schrie auf.
Mit gezücktem Messer sprang der Femtit, der neben ihr schlief, auf. Als er jedoch sah, was sie erschreckt hatte, lachte er nur laut los. Dann holte er ein kleines hölzernes Blasinstrument hervor und spielte eine sanfte Melodie. Einen kurzen Moment schaute das Reptil ihn an, schloss seinen Kamm und verschwand im Unterholz.
»Wie bist du nur so weit gekommen und hast im Eisgebirge überleben können, wenn dich schon so ein kleiner Palacerbus in Angst und Schrecken versetzt?«
Talitha antwortete nicht und presste beschämt die Lippen aufeinander.
Der Entführer drehte ihr den Rücken zu und beugte sich über Saiph.
Der war noch im Halbschlaf und so verwirrt, dass er, als er eine Berührung spürte, unwillkürlich aufsprang. Doch er war zu schwach und konnte sich nicht auf den Beinen halten. Er wäre zu Boden gesunken, hätte der Mann ihn nicht gestützt.
»Schon gut, schon gut, ich bin ein Freund«, beruhigte er ihn.
Saiph erwachte ganz, und sofort fiel ihm auf, dass Talitha gefesselt war. »Wenn du mein Freund bist, dann mach sie los«, erwiderte er.
Die Gesichtszüge des anderen wurden hart. »Tut mir leid, der Befehl lautet, jeden Talariten, wer es auch sein möge, hinter der Grenze im Eisgebirge zu fassen und gefangen zu nehmen.«
»Was denn für eine Grenze?«
Der Femtit lächelte erneut. »Das erkläre ich dir alles unterwegs. Es gibt eine ganze Menge, was du wissen musst. Aber zunächst einmal will ich dich gebührend begrüßen.« Und damit verneigte er sich tief, fast bis zum Boden, und legte dabei die Hände auf die Brust, direkt über dem Herzen. »Es ist eine große Ehre für mich, einem Helden wie dir zu begegnen.«
»Wer bist du?«, fragte Saiph.
Der Mann richtete sich wieder auf. »Meine Name ist Eshar, stets zu Diensten. Ich gehöre zu den Rebellen und bin euch schon eine Weile gefolgt. Später fand ich euch bewusstlos im Eisgebirge, ungefähr drei Meilen von hier entfernt. Die Talaritin hat gesagt, dass ihr aus dem brennenden Orea geflohen seid.«
»Das stimmt. Wir sind unterwegs zum Verbotenen Wald.«
»Dann habt ihr euer Ziel erreicht. Auch wenn wir, wie du weißt, diesen Ort anders nennen: Für uns ist er der Wald der Wiederkehr.«
Saiph lief ein mächtiger Schauer über den Rücken. Der Wald der Wiederkehr. Wie lange hatte er diesen Namen nicht mehr gehört? Das letzte Mal hatte seine Mutter davon gesprochen, in den Märchen, die sie ihm abends vor dem Einschlafen erzählt hatte. Für die Femtiten war dieser Wald alles andere als ein verfluchter Ort: Einst war er ihre Heimat, in der sie frei und glücklich gelebt hatten, bis die Götter sie für ihren Frevel bestraften und die Talariten sie versklavten. Und dorthin, so hieß es, würden sie eines Tages wieder zurückkehren, wenn der Erlöser, den die Götter senden würden, sie aus ihrem Exil heimführte.
»Deine Irrfahrt ist ausgestanden: Ich bringe dich heim, in unser Dorf«, verkündete Eshar.
Saiph schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, das geht nicht. Wir sind jemandem auf den Fersen … Lass mich gehen. Es ist wichtig. Wir müssen den Mann finden, wir beide, sie und ich zusammen«, sagte er, wobei er auf Talitha deutete.
»Nein, das kann ich nicht zulassen. Ich hoffe, dass du mir aus freien Stücken folgst, aber wenn nicht, muss ich dich zwingen. Mitnehmen werde ich dich auf jeden Fall. Auch wenn du ein Held bist, für den ich mein Leben lassen würde, wir Rebellen haben unsere Regeln, an die sich jeder halten muss, koste es, was es wolle. Und eine davon lautet: Wen auch immer wir in diesem Wald aufgreifen, wir müssen ihn nach Sesshas Enar bringen.«
Saiph erwiderte nichts. Was hätte er auch antworten sollen? An Flucht war nicht zu denken. Talitha war gefesselt, und in seinem Zustand und ohne zu wissen, wo sie sich befanden, wie hätten sie da entkommen sollen?
Auf Eshars Gesicht zeichnete sich ein breites Grinsen ab, und mit der flachen Hand verpasste er ihm einen kräftigen Schlag auf die Schulter. »Mach nicht so ein Gesicht, du wirst sehen, es wird dir bei uns gefallen.«
8
E shar ließ sie in einem kanuförmigen Korb Platz nehmen, dessen hölzerne Wände mit Fellen ausgekleidet waren. Mit dicken Seilen befestigte er ihn am Leib des Drachens. Mit ebenfalls starken Gurten schnallte er die beiden im Korb fest, wobei er zusätzlich noch, obwohl Saiph heftig dagegen protestierte, Talitha Hände und Füße fesselte. Zuletzt zog er ihnen eine
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