Nashira
den Beutel vor ihren Augen hin und her schwenkte.
Er setzte sich an den Tisch, leerte ihn aus und verzog verärgert das Gesicht, als er den Inhalt sah.
»Einmal habe ich jemanden umgebracht, weil er nur siebzig Kupfer-Nephem in der Tasche hatte«, knurrte er. »Was soll ich mit den paar Kröten? Dafür hat es sich nicht mal
gelohnt aufzustehen und sie dir abzunehmen. Aber ihr beide habt Glück, ihr seid unantastbar. Wäret ihr gewöhnliche Reisende, hätte ich schon längst kurzen Prozess mit euch gemacht.«
»Du hast ja keine Ahnung ...«, zischte Talitha, »du schaufelst dir gerade dein eigenes Grab.«
Der Mann blickte sie schmunzelnd an. »Ganz im Gegenteil, werte Gräfin. Dein Vater will dich und deinen Sklaven. Er wird mir ein Denkmal errichten, wenn ich euch zu ihm bringe.«
»Das geht nicht, wir haben eine wichtige Mission«, versuchte sie es anders. »Sie ist wirklich von allergrößter Bedeutung.«
»Und was soll das für eine Mission sein?«, fragte der Mann und grinste.
»Talaria geht seinem Untergang entgegen. Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns bleibt, aber alles, was uns auf diesem Planeten umgibt, wird zur Wüste werden, zu Asche verbrennen. In Alepha gibt es einen Mann aus einem fernen Land, der uns helfen kann, etwas dagegen zu tun. Er weiß, wie man Cetus daran hindern kann, ganz Nashira verglühen zu lassen. Deswegen sind wir hier, und wenn du uns nicht freilässt, wirst auch du mit leeren Hände dastehen. Du wirst weder ein Denkmal noch eine Belohnung erhalten, aber dafür dein Leben verlieren!«
Der Mann brach in schallendes Gelächter aus. Grif stimmte ein, doch sein Lachen klang seltsam gedämpft, war nicht mehr als ein Glucksen in seiner Kehle.
»Das ist die Wahrheit, verdammt noch mal! Der Ketzer wird in Alepha gefangen gehalten, und die Priester foltern ihn, um herauszubekommen, was er weiß«, redete Talitha weiter.
Das Lachen des Mannes verstummte. »Ja, von dieser Geschichte hab ich schon gehört ... Aber du hast Pech, Kleine, der Ketzer, wie du ihn nennst, wurde in die Festung von Danyria im Reich des Winters gebracht.«
Das Mädchen starrte ihn mit offenem Mund an.
»Und nimm’s mir nicht übel, aber ich muss deine schöne Heldengeschichte platzen lassen: Der Mann ist ein Ketzer, weiter nichts.«
»Er ist ... er ist nicht mehr in Alepha?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Wenn du mich fragst, ist er bereits tot. Weißt du, manchen Folterungen hält der Körper nicht lange stand. Und was mich betrifft, so könnte diese Welt meinetwegen auch gleich morgen schon untergehen. Ich schaue nur auf die Gegenwart, und meine Gegenwart ist die Belohnung, die auf mich wartet.«
Talitha sah ihn verzweifelt an, aber der Mann hatte sich bereits von ihr abgewandt, um sich mit etwas anderem zu beschäftigen. Verbas Schwert lag am Boden, unbeachtet, aber zu viele Ellen von ihr entfernt.
Es war der Junge, der das Essen zubereitete. Lautlos bewegte er sich dabei durch den Raum, schien aber in jedem Augenblick genau zu wissen, was er tat. Während der Mann auf dem Lager döste, das einmal Saiphs Bett gewesen war, sorgte Grif dafür, dass die Küche der Herberge wieder in alter Pracht erstrahlte. Bald zogen leckere Düfte durch den Raum: Fleisch garte über der Glut, und in dem Topf auf der Feuerstelle schmurgelte ein zart duftendes Gemüsegericht vor sich hin.
»Wir müssen weg«, flüsterte Talitha.
»Dieses Bübchen ist gefährlich«, erwiderte Saiph.
»Ich habe nicht den weiten Weg zurückgelegt, um so schmählich in den Fängen eine Kopfgeldjägers zu enden«, zischte sie wütend. »Es muss doch ein Möglichkeit geben abzuhauen.«
Da fuhr der Junge plötzlich herum und trat mit einem Hackebeil in Händen auf sie zu, ging vor dem Mädchen in die Knie und schaute sie aufmerksam an, bevor er ihr langsam, ganz langsam die Schneide des Beiles auf die Haut ihrer Wange setzte. Panische Furcht erfasste sie.
»Ganz ruhig, wir tun alles, was ihr wollt«, versuchte Saiph ihn zu besänftigen.
Einige Augenblicke hockte der Junge vor Talitha und musterte sie, dann endlich zog er die Klinge zurück und kümmerte sich wieder um seine Gerichte.
Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Dann biss sie sich auf die Lippen und nagte so lange darauf herum, bis Blut kam. Nur so konnte sie ein Weinen unterdrücken.
Zwei dampfende Schüsseln wurden vor sie hingestellt. Mühsam schaffte es Saiph irgendwie, eine in die Hand zu nehmen und etwas davon mit dem Löffel zum Munde zu führen,
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