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Nashira

Nashira

Titel: Nashira
Autoren: L Troisi
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ihn erst vor dem Morgengrauen zurück. Dann, eines Nachts, hörten wir Geschrei von den Wachen und Kampfgeräusche. Der Ketzer hatte sich befreit. Und es gelang ihm auch, uns zu befreien, denn mit einem Mal sprangen die Zellentüren auf. Und dann haben wir sein Gesicht gesehen.«
    »Wie sah er aus?«, fragte Talitha aufgeregt.
    »Nun ja ... sonderbar. Er hatte langes schneeweißes Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel, und er war sehr hager, verfügte jedoch über unglaubliche Kräfte. Ich sah, wie er eine Wache mit nur einer Hand packte und wie eine Puppe gegen
die Wand schleuderte. Und hinten an den Schultern ...«, er zeigte es, indem sich an den Rücken fasste, »standen links und rechts blutige Knochen hervor. Am unglaublichsten war aber die unbändige Wut, mit der er kämpfte. Seine Waffe war ein Stock, ein ganz normaler Stock, aber damit nahm er es mit den Soldaten auf, die bis an die Zähne bewaffnet waren. Er bewegte sich so flink und schnell, wie ich es noch bei keinem Mann gesehen habe. Ich konnte ihm kaum folgen. Er merkte, dass ich ihn durch die offene Zellentür beobachtete, und weißt du, was er zu mir gesagt hat? ›Willst du nur glotzen, oder hilfst du mir?‹ Er sprach mit einem seltsamen Akzent, den ich noch nie gehört habe. Also half ich ihm, und dann schlossen sich auch die anderen an. Drei Stunden später war das ganze Gefängnis in unserer Hand.«
    »Habt ihr ihn gefragt, wer er ist?«, hakte Saiph nach.
    Gerdal nickte. »Natürlich. Aber er hat mir ins Gesicht gelacht und nur gesagt: ›Niemand, den ihr kennen könnt.‹ Ich hab ihn gefragt, ob er bei uns mitmachen will, wir hätten vor, uns den Rebellen anzuschließen. Aber er lachte noch lauter und meinte, dass er auf der Suche ist, dass er eine Bestimmung hat, der er folgen muss. Er nahm ein Schwert, ein wenig Proviant, und machte sich auf den Weg.«
    »Und ihr habt ihn einfach ziehen lassen?«, fragte Talitha entgeistert.
    Gerdal blickte sie verärgert an. »Was hätten wir denn sonst tun sollen? Ihn mit Gewalt festhalten? Schließlich hat er uns das Leben gerettet.«
    »Und er hat euch nicht gesagt, wohin er wollte?«, fragte Saiph und versuchte, Ruhe zu bewahren.
    Gerdal zuckte mit den Achseln. »Doch, nach Norden, glaube ich.«

    »Ins Eisgebirge«, warf einer der anderen ein. Saiph blickte ihn fragend an. »Ja, wirklich«, setzte der Femtit hinzu, ein wenig verwirrt durch die Aufmerksamkeit, die ihm plötzlich zuteilwurde, »das hat er zu mir gesagt, während er die Vorratskammer plünderte.«
    »An eurer Stelle würde ich die Suche nach ihm aufgeben«, sagte Gerdal. »Der schien mir nicht der Typ zu sein, der auf Gesellschaft aus ist.«
    »Wir haben aber keine andere Wahl«, erwiderte Talitha nervös. Wären wir doch nur ein paar Tage früher hier gewesen, dachte sie im Stillen dabei.
    »Willst du ihm etwa auch hinterher?«, fragte Gerdal Saiph.
    »Ja.«
    »Du könntest bei uns bleiben«, schlug der andere Femtit vor. »Die Talaritin kann ihm auch allein nachlaufen. Einen sichereren Ort als bei uns findest du nirgendwo. Die Festung ist in unserer Hand, und wir haben Boten zu den Rebellen ausgesandt, dass sie zu uns stoßen. Von dieser Festung wird etwas Gewaltiges ausgehen, das Talaria für immer verändern wird.« Die Mienen der anderen, die mit ihnen vor dem Kamin saßen, erhellten sich, ihre Blicke wurden wacher. »Die Sklavenschaft der Femtiten neigt sich dem Ende zu, wir sind es leid, darauf zu warten, dass der Letzte in die Welt tritt und uns erlöst. Wir müssen uns selbst befreien. Viele glauben ja sogar, dass du der Letzte bist.«
    Ein langes Schweigen folgte, alle Blicke waren auf Saiph gerichtet.
    Die Nackenhaare richteten sich ihm auf. »Aber nein, ich bin ein ganz normaler Femtit wir ihr auch.«
    Gerdal legte ihm eine Hand auf die Schulter. »So etwas wie du hat noch niemand gewagt: Du hast ein Kloster angezündet
und eine Talaritin entführt. Und du bist immer noch frei! Obwohl Graf Megassa dich mit Schaum vor dem Maul hetzt und danach geifert, dir das Fell über die Ohren zu ziehen.«
    Talitha zuckte nur ein wenig zusammen, als sie den Namen ihres Vaters hörte. Ein seltsames, distanziertes Gefühl überkam sie, so, als spreche man über einen Fremden und nicht über den Mann, der ihr das Leben geschenkt hatte.
    »Du in unseren Reihen, das wäre genau die Waffe, die uns noch fehlt. Alle Femtiten, die sich aus Angst noch nicht erhoben haben, würden sich sofort auf unsere Seite schlagen.«
    Saiph überlegte lange,
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