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Nashira

Nashira

Titel: Nashira
Autoren: L Troisi
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Beklemmungen bekam. Überall, noch im hintersten Winkel, hockten und lagen Leute, Kinder in den Armen ihrer Mütter, Leib an Leib, so dicht zusammengedrängt, dass man kein Fleckchen vom Fußboden erkennen konnte. Erschöpft von den Strapazen des Tages, schliefen die meisten, doch einige hoben auch den Kopf, als die beiden eintraten.
    »Wer ist da?«, flüsterte einer.
    »Freunde«, antwortete Saiph leise.
    Etwas von ihnen entfernt richtete sich ein Mann auf seinem Lager auf, und sie gingen zu ihm hin. Im matten Licht, das durch ein Fenster fiel, erkannten sie, dass er mittleren Alters war und klare Augen hatte, die im Halbdunkel funkelten.
    »Wer seid ihr?«, fragte er.
    Saiph ging neben ihm in die Knie. »Wir kommen ... aus dem Reich des Herbstes. Man hat uns überfallen und hergebracht...«
    »Das war Yarl mit seinen Männern. Er hat alle hier geschnappt, angeblich weil wir entflohen sind und uns den Rebellen anschließen wollten. Das stimmt zwar nicht, aber
das nützt uns auch nichts mehr. Wir werden uns in den Eisminen zu Tode schuften.« Er warf Saiph noch einen Blick zu, zuckte mit dem Achseln und legte sich wieder lang.
    »Wir können unmöglich bleiben«, flüsterte Talitha.
    »Was bleibt uns anderes übrig? Hast du nicht gesehen, wie viele Männer Wache stehen? Und außerdem haben wir das Schwert verloren.«
    Eine furchtbare Wut kam in Talitha hoch: Verbas Schwert war für sie so etwas wie ein natürlicher Fortsatz ihres Körpers geworden, auf den sie nicht mehr verzichten konnte, und sie hatte das Gefühl, dass die Hände dieser Sklavenjäger ihn nun entweihten.
    »Wir können nicht einfach fliehen«, fuhr Saiph fort, »diese Männer haben viel Erfahrung mit entlaufenen Sklaven. Sie würde uns sofort wieder einfangen. Und außerdem sind sie in Richtung Eisgebirge unterwegs, genau wie wir. Ihr Weg wird sicher über Orea führen. Dort könnten wir bei meinen Großeltern unterschlüpfen. Aber im Moment nutzen wir es einfach aus, dass wir mit Essen versorgt und sicher geleitet werden, weil sie uns für gewöhnliche Sklaven halten.«
    Als Talitha sich umblickte, befürchtete sie einen Moment lang, dass sie es dieses Mal nicht schaffen würde, dass dieses Lager einfach zu viel für sie war. Aber die Angst verflog sofort wieder. Jene Talitha, die so empfand, hatte sie überwunden, jetzt war sie zu allem bereit, um ans Ziel zu gelangen.
    So gut es ging, streckte sie sich auf dem Boden aus. Nicht nur der Gestank, auch die Geräusche, die an ihr Ohr drangen, waren kaum zu ertragen: Körper, die sich im Schlaf bewegten, keuchende Atemzüge, lautes Schnarchen, das unterdrückte Weinen eines Kindes. Noch nie war sie an einem derart überfüllten, von Krankheit und Not durchtränkten
Ort gewesen. Sie versuchte, alles an sich abprallen zu lassen, und schloss die Augen. Der Gedanke an Lebitha begleitete sie langsam in einen tiefen Schlaf.

    Talitha schrak auf, als eine Peitsche knallte. Ein Schrei, und wieder ein Peitschenknall, während die am Boden liegende Masse der Körper, wie ein Meer bei Sturm, hin und her zu wogen begann. Panik ergriff das Mädchen, und sie fürchtete, darin zu versinken, doch Saiph nahm ihre Hand und drückte sie fest.
    »Ganz ruhig, ich bin bei dir.«
    Mit einem Mal erinnerte sich Talitha wieder, wo sie war, und tat alles, um ihre Angst niederzukämpfen. Die Femtiten waren zu hundert, die Sklavenjäger zu zehnt, und doch schien diese kleine Gruppe mit ihren Peitschen, die mit winzigen Luftkristallen besetzte waren, die Gefangenen unter Kontrolle halten zu können.
    Die Sklavenjäger passierten die Reihen und legten die Füße aller Femtiten in schwere Eisenringe, die an einer langen Kette befestigt waren. Noch nicht einmal die Kinder wurden verschont.
    Instinktiv verkrampfte Talitha sich, als einer der Männer, ein magerer Talarit mit schmutzig gelben Haaren und markanten Gesichtszügen, auf sie zu trat. Und ehe sie es sich versah, hatte er ihr schon die Eisenringe um die Fußgelenke geschlossen und wandte sich bereits Saiph zu. Der verzog keine Miene, als der erste Ring sich schloss, sondern sah ruhig zu, wie der Mann seine Arbeit tat. Talitha wusste nur zu gut, dass er an solche Behandlung gewöhnt war.
    Wieder ein Peitschenknall, und alle erhoben sich gleichzeitig
und bewegten sich in einer langen geordneten Reihe aus dem Gebäude hinaus. Draußen war die Luft eiskalt, und der Atem bildete weiße Wölkchen. Sie waren immer paarweise angekettet, und Talitha war sehr erleichtert, dass man sie
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