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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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hören, das mehr als fünfzehn Ellen vom Arbeitszimmer ihres Vaters entfernt lag. Mit welchen Worten sich die Heilerin rechtfertigte, konnte sie nicht verstehen, doch kurz darauf vernahm sie wieder die donnernde Stimme ihres Vaters: »Ihr seid eine Versagerin! Wenn Ihr nicht in der Lage seid, sie gesund zu machen, muss ich mich eben an die Große Mutter wenden. Und nun geht!«

    In Talithas Brust verkrampfte sich etwas. Die Augen des Mädchens begannen zu brennen, und sie kniff sie so fest sie konnte zusammen und legte den Kopf auf die geballten Fäuste.
    Mach sie wieder gesund, Mira, ich beschwöre dich, mach sie wieder gesund!
    Unablässig wiederholte sie flehend dieses Stoßgebet, bis die Worte ihren Sinn verloren und sie sich völlig ermattet fühlte.
    Am selben Abend verließ die Heilerin in aller Stille das Haus. Kurz darauf brachte Saiph Lebitha das Essen. Leise betrat er das Krankenzimmer, und als er sah, dass sie schlief, wollte er nur den Teller auf dem Tischchen neben dem Bett zurücklassen. Er war im Begriff, ihn dort abzustellen, als Lebitha plötzlich sein Handgelenk packte und die Augen aufschlug. Ihr Gesicht, bis auf die Knochen abgemagert, die Pupillen blutunterlaufen, war nicht wiederzuerkennen, und sie atmete langsam und schwer. Im ersten Moment bekam Saiph Angst und wollte sich losmachen. Doch sofort fiel ihm wieder ein, dass dies die Frau war, die seine Mutter so geliebt hatte, die Einzige, die sich nach dem Unfall um sie gekümmert und sich bemüht hatte, sie zu retten.
    »Entschuldige ... ich wollte dir keine Angst machen«, murmelte Lebitha schwach.
    Saiph errötete. »Nein, es ist meine Schuld, ich dachte, Ihr schlaft.«
    »Ich weiß, wie hässlich ich geworden bin«, erwiderte Lebitha mit einem gequälten Lächeln, »ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst.«
    »Sagt das nicht, Ihr seid eben krank.«
    Die Priesterin, die auf die Kranke aufpasste, war in ihrem
Sessel eingeschlafen, und Lebitha betrachtete sie lange, bevor sie mit leiser Stimme weitersprach. »Du musst mir etwas versprechen, Saiph.«
    »Natürlich, was immer es sein mag, Herrin.«
    »Siehst du das?« In ihren schwachen Fingern hielt sie das dünne Lederband, das sie um den Hals trug und an dem ein Stein hing.
    Saiph wusste genau, worum es sich handelt, denn seine Herrin hatte ihm ihren eigenen Stein gezeigt und ihm erklärt, was es damit auf sich hatte. Er nickte.
    »Sollte mir etwas zustoßen, musst du Talitha das geben. Sag ihr, dass nun alles in ihrer Hand liegt.«
    »Aber Herrin ...«
    »Versprich es mir einfach. So wie du mir damals auch versprachst, immer an ihrer Seite zu sein. Erinnerst du dich?«
    Wie hätte Saiph das je vergessen können? Damals hatte alles angefangen. Ab diesem Zeitpunkt war in seinem Leben nichts mehr so gewesen, wie er es gekannt hatte. Es war der Tag, als Lebitha den Palast, in dem sie zur Welt gekommen war, verlassen hatte, um zum Kloster hinauf zu ziehen. Sie hatte ihn zu sich rufen lassen und unter vier Augen mit ihm gesprochen. Es war das erste Mal, dass eine Talaritin auf diese Weise mit ihm geredet hatte, von gleich zu gleich, ohne Befehle zu erteilen oder Strafen aufzuerlegen, sondern traurigen Herzens und mit einer Bitte: für Talitha mehr zu sein als nur ein Leibdiener, sich tatsächlich um sie zu kümmern, sich ihrer anzunehmen wie einer nahestehenden Person, einem Freund.
    »Natürlich erinnere ich mich. Und ich werde alles tun.«
    Lebitha nickte schwach. »Du musst nun mehr als je zuvor für sie da sein. Es wird ihr schwerfallen, damit zurechtzukommen.
Du bist der Einzige, der ihr helfen kann. Sorge für sie, noch mehr als zuvor, darum bitte ich dich.«
    »Ja, Herrin, Ihr wisst, dass ich es tun werde. Ich hätte es ohnehin getan.«
    Lebitha streichelte ihm über eine Wange. »Dich auszuwählen, mich auf dich zu verlassen, war vielleicht die beste Entscheidung meines Lebens.«
    Saiph führte sich Lebithas Hand an die Stirn und schloss die Augen.
    In diesem Moment erwachte die Priesterin in ihrem Sessel. Während der Sklave sich rasch von Lebitha zurückzog, richtete sich die Frau eilig auf und gab vor, niemals eingenickt zu sein. Mit strenger Miene und dem Eifer desjenigen, der weiß, eine Pflicht vernachlässigt zu haben, schaute sie die beiden an.
    Lebitha wechselte rasch das Thema: »Hilf mir, ich bin zu schwach, den Löffel zu heben.«
    Saiph zog die Nase hoch, und während er gegen die Tränen kämpfte, tauchte er den Löffel in die Suppe und führte ihn vorsichtig zu

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