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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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versetzte sie ihr einen letzten Schlag, mit der bloßen Hand, nur einen einzigen Schlag. Kurz darauf war die Sklavin tot, erstickt: Die Kombattantin hatte ihr die Luftröhre zertrümmert.«
    Talitha erschauderte.
    »Das sind keine normalen Kämpferinnen, und ihre Hände sind nicht einfach nur Hände. Das sind Waffen.«
    »Wir müssen uns beeilen und so schnell wie möglich die Botschaft meiner Schwester entschlüsseln«, sagte das Mädchen.
    »In der Botschaft heißt es: ›Verbinde sie und du wirst sie trennen.‹ Es scheint auf der Hand zu liegen, dass damit die beiden Hälften des Steins gemeint sind.«
    »Ja, klar.«
    »Aber es könnte sich auch auf etwas anderes beziehen.«
    »Wieso? Wenn es doch auf dem Stein selbst steht, den man mit dem anderen zusammenfügen soll, weil es die beiden Hälften eines Ganzen sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas anderes gemeint sein könnte ...«
    »Ich meine nur, dass man sicher die beiden Hälften zusammenfügen
soll, aber getrennt werden soll etwas anderes«, erklärte Saiph.
    »Und das wäre?«
    »Ich weiß es auch nicht. Aber indem man die beiden Teile verbindet, entsteht vielleicht etwas, mit dem man etwas anderes trennen kann.«
    Talithas Blick erstrahlte. »Ein Schlüssel, um etwas aufzuschließen ...«
    »Vielleicht.«
    »Wir müssen in das Zimmer, das meine Schwester bewohnt hat: Ich weiß, dass es leer steht.«
    »Aber Herrin, das sagt sich so leicht. Die Unterkünfte der Priesterinnen werden streng bewacht.«
    »Ich bin sicher, wenn ich Schwester Pelei darum bitte, lässt sie mich hinein.«
    Saiph blickte in das Licht der Kerze, die er mitgenommen hatte. »Es ist fast schon die zweite Stunde vor dem Morgengrauen, wir müssen gehen.«
    Seine Herrin nickte. »Dann sehen wir uns in zwei Tagen wieder?«
    »Ich gebe dir Bescheid, so wie ausgemacht.«
    »Und ich sehe zu, dass ich dir etwas zu essen besorgen kann.«
    »Lass dich nicht unterkriegen, Herrin«, murmelte Saiph mit ernster Miene. »Auch zu hoffen ist eine Form des Widerstands. So, ich gehe voraus, halte ein wenig Abstand, das ist sicherer.«
    Talitha nickte wieder und folgte ihm dann. Als die Dunkelheit schon beide verschlungen hatte, rief sie ihm hinterher. »Ach, was ich dir noch sagen wollte, mein dummer Sklave. Ich hab dich vermisst.«
    Sie konnte es nicht sehen, aber Saiph lächelte.

15
    A ls Belohnung für ihre herausragenden Leistungen in allen Fächern bekam Kora einige Tage frei, um ihre Eltern zu besuchen, und Talitha fühlte sich noch einsamer als zuvor. Vielleicht weil sie von Anfang an eine Flucht geplant und ihren Aufenthalt an diesem Ort immer als nur vorübergehend betrachtet hatte, hatte sie keine Versuche unternommen, sich mit sonst jemandem anzufreunden. Die anderen Novizinnen waren für sie eine Schar blasser Gesichter im Hintergrund, während ihr die Erzieherinnen fast alle verhasst waren. Mit Ausnahme von Schwester Pelei, die ihr immer sympathischer wurde. Heute suchte das Mädchen sie nach dem Mittagessen auf und fand sie, wie so oft, in ein Buch vertieft auf ihrem Stuhl vor.
    Es war leichter als gedacht, sie dazu zu bringen, sie in Lebithas Zelle zu lassen. Auch sie vermisste ihre frühere Schülerin, in der sie damals schon die vielversprechendsten Anlagen erkannt hatte, und verstand den Wunsch der Schwester, einmal das Zimmer zu sehen, in dem sie nach ihrem Weggang aus dem Palast gelebt hatte. Den wahren Grund für diesen Wunsch hatte Talitha ihr aber nicht gestehen wollen. Instinktiv war sie sich zwar sicher, dass Schwester Pelei sie nicht verraten hätte, wollte aber doch kein Risiko eingehen und verlor kein Wort über den Stein und Lebithas Botschaft.
    Lebitha hatte eine Zelle bewohnt, die unmittelbar neben
dem Tempel lag. In diesem Gebäude war Talitha zuvor noch nicht gewesen, doch bot es, zumindest auf den ersten Blick, auch nichts Überraschendes: Im Gegenteil glich es in jeder Hinsicht dem Haus, in dem sie selbst ihr Zimmer hatte. Nur die Deckengemälde waren anders: Mira blickte in ihrer ganzen Pracht, mit feierlicher Miene und matronenhaftem Leib, auf sie herab.
    »Da wären wir. Es ist alles so geblieben, wie deine Schwester es hinterlassen hat: Niemand hat irgendwelche persönlichen Gegenstände für sich beansprucht, und es hat nach ihrem Hinscheiden auch niemand sonst in diesem Raum geschlafen«, erklärte Schwester Pelei, als sie vor der Tür aus hellem Holz standen.
    Talitha zögerte einen Moment, wandte dann der Priesterin das Gesicht zu und fragte: »Wäre

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