Nashira
mochte. Dabei war sie überzeugt, dass es wichtig war, sehr wichtig, sonst hätte sich Lebitha nicht so viel Mühe gemacht, ihr die Botschaft zukommen zu lassen. Ihre Schwester hatte sie gut gekannt und gewusst, dass sie keine Ruhe geben würde, bis das Rätsel gelöst war. Das hieß, ohne schwerwiegenden Grund hätte sie Talithas Zähigkeit nicht auf die Probe gestellt.
Worum geht es? Was hast du mir denn nicht unter vier Augen
sagen können? Was auf der Welt ist so ungeheuerlich, dass es eine solche Geheimhaltung verlangt?, fragte sie ihm Geiste ihre Schwester, während sie den Stein zwischen den Fingern hin und her drehte.
Sie musste die Lösung schnell finden, sonst würde dieses Kloster sie noch um den Verstand bringen.
Als sie an einem Abend in ihr Zimmer kam, stellte sie fest, dass ein Buch, das sie zum Lernen aufgeschlagen auf dem Tisch hatte liegen lassen, nun plötzlich auf der Truhe lag. Endlich. Sie wusste sofort, was das bedeutete. Schnell klappte sie die Truhe auf und wühlte zwischen ihren Kleidern. Da war es: ein Zettelchen zwischen den zwei Gewändern, die sie zum Wechseln dabei hatte.
Heute Nacht, zur vierten Stunde vor dem Morgengrauen, in der Besenkammer, gleich außerhalb der Schlafsäle.
Talithas Herz machte einen Sprung. Er hatte es geschafft. Was fast unmöglich erschien, war Saiph gelungen. Ein Lächeln im Gesicht, presste sie das Zettelchen fest zusammen. Es würde eine lange Nacht werden, und deshalb versuchte sie, schnell einzuschlafen, doch die Anspannung hielt sie wach. Und so lag sie da und zählte die Stunden bis zu ihrer Verabredung.
Als ihr Saiph endlich gegenüberstand, konnte sie sich nicht zurückhalten und umarmte ihn stürmisch.
»Danke, vielen Dank«, murmelte sie und drückte ihn ganz fest.
Er erwiderte die Umarmung und wollte ihr schon, schüchtern,
über das Haar streichen, als sie sich zurückzog, bevor seine Hand sie berührte.
»Jetzt musst du mir aber alles erzählen.«
Er legte einen Finger an die Lippen. »Nicht hier«, sagte er. Er bückte sich und schob die Fußbodenbretter auseinander, sodass ein schmaler Durchschlupf zum Vorschein kam. Saiph zwängte sich hinein, und sie folgte ihm.
Als ihre Füße den Boden berührten, ragte ihr Oberkörper noch in die Kammer hinein.
»Du musst dich bücken«, erklärte ihr Saiph.
Seine Herrin tat es und fand sich in einem überraschend großen Raum mit allerdings so niedriger Decke wieder, dass man sich nur auf allen vieren bewegen konnte. Saiph streckte sich noch einmal durch die Öffnung, ergriff die Bretter und schob sie sorgsam über sich zusammen.
»Wo sind wir?«, fragte Talitha.
»Unter dem Fußboden. Die Plattformen, auf denen alles errichtet ist, verfügen über einen Zwischenboden. Du hast doch bestimmt auch gemerkt, dass es hier oben längst nicht so heiß wie in Messe ist, oder?« Das Mädchen nickte. »Das liegt daran, dass hier Eis gelagert wird, das praktisch die gesamte Klosteranlage kühlt.« Er reichte ihr eine Art Decke und legte sich selbst auch eine über die Schultern. »Komm mit.«
Während sie über den Holzboden krochen, konnte Talitha durch die Spalte zwischen den Brettern in das Nichts unter ihnen hinabsehen. Auch wenn sie sich bemühte, die Angst niederzuhalten, hämmerte ihr doch das Herz in der Brust. Sie musste sich völlig lautlos bewegen, denn knapp über sich hörten sie immer wieder Schritte hin und her marschieren: Das mussten die Kombattantinnen sein, die in diesem Flügel des Gebäudes Wache hielten.
Schließlich verbreiterte sich der Gang, in dem sie sich bewegten, und mündete in einen großen Raum voller riesiger Zahnräder und anderer mechanischer Gerätschaften.
»Das ist der Maschinenraum für die Lastenaufzüge«, erklärte Saiph. »Es kommt nie jemand her. Nur einmal im Jahr steigt ein Mechaniker hinunter und überprüft die Anlage.«
»Und wieso weißt du das alles? Wie hast du das entdeckt?«
Saiph machte es sich auf dem Fußboden bequem und schlug die Beine übereinander. »Das haben wir Schwester Kaiema zu verdanken, und Gijn, einem ihrer Liebhaber.«
Talitha setzte sich neben ihn und schaute ihn fragend an.
»Tja, Kaiema hat eine besondere Vorliebe für junge muskulöse Femtiten.«
Sie schien ehrlich entrüstet. »Das ist unmoralisch. In Buch der Gebote steht klipp und klar, dass Liebesbeziehungen mit Sklaven verboten sind.«
Saiph zuckte nur mit den Achseln. »Offenbar nimmt man es mit den Regeln nicht so genau. Es war nicht leicht, Beris davon
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