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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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Tempel war es ihr sofort aufgefallen. Aber erst einige Tage später hatte sie Gelegenheit gehabt, etwas länger davor zu verweilen und es genauer zu betrachten.
    Wie eine Reliquie wurde es in einer Nische auf blauem Samt in einem gläsernen Schrein aufbewahrt. Das Mädchen hatte noch nie dergleichen gesehen. Das Schwert war dunkel, fast schwarz, und das Metall, aus dem es geschmiedet war, funkelte in allen Farben des Regenbogens. Das Heft war zylindrisch geformt und verjüngte sich zum unteren Ende hin, das mit einem kostbaren feuerroten Edelstein besetzt war. Die schwere Glocke war zur Klinge hin gekrümmt und mit Ornamenten verziert, die Talitha nicht deuten konnte. Die Klinge verbreiterte sich an drei Stellen, kurz über dem Heft, in der Mitte und vor der Spitze, zu dornenähnlichen scharfen Zacken. Die flachen Seiten der Klinge waren mit ähnlichen feinen Mustern wie die Glocke verziert, während die Schneide unregelmäßig geformt war, so als sei sie von unerfahrener Hand geschmiedet worden. Doch ließ sich erahnen, dass sie so scharf wie eine Rasierklinge sein musste.
    Wenn Talitha die Waffe sah, war sie stets aufs Neue verzaubert. Sie fragte sich, wie schwer sie sein mochte und wie es sich wohl anfühlen würde, sie in der Hand zu halten. Unter den Waffen in der Garde hatte sie ein Lieblingsschwert gehabt, das ihr perfekt in der Handfläche lag. Ob es bei Verbas Schwert ähnlich war?
    Eines Tages erzählte ihr Schwester Pelei die Geschichte des Schwertes.
    »Es wird berichtet, Verbas Schwert sei so außerordentlich hart, weil der Waffenschmied es mit einem speziellen Zauber versehen habe. Dieser Mann war einer der sogenannten Ersten,
ein Angehöriger des Volkes also, das Mira am Anfang der Zeiten erschaffen hatte. Und er war der Einzige, der die Zerstörungen überlebt hatte, die der lange Kampf zwischen Mira und Cetus mit sich gebracht hatte. Manche erzählen auch, das Schwert sei dadurch so hart geworden, weil es der besonderen Magie ausgesetzt war, mit der die Götter diesen Kampf führten. Im Volksglauben heißt es, durch diesen überlebenden Ersten sei das Schwert zu uns gelangt. Sein Name sei Verba, der Ewige, gewesen. Wir hingegen glauben, dass Verba nur einer der ersten Besitzer des Schwertes war und dass er es mit einem mächtigen Zauber belegt hat, für den er mit seinem Leben bezahlt hat.«
    »Was ist denn das Besondere an dem Schwert?«
    »Es wurde aus einem Metall geschmiedet, das sonst nirgends auf Nashira vorkommt. Viele Priester haben es schon analysiert, manche haben sogar versucht, es selbst herzustellen, doch alle Bemühungen waren erfolglos. Das Material ist ungeheuer hart; es gibt nichts, was es nicht zu zerschneiden vermag, und nichts, was ihm auch nur einen Kratzer zufügen könnte. Sogar große Blöcke Luftkristall lassen sich leicht damit spalten.«
    »Ist es denn niemals in einer Schlacht benutzt worden?«
    »Doch, im Antiken Krieg. Da hat Kel es geführt.«
    Talitha kannte diesen Namen: Kels Nachkommen regierten das Reich des Frühlings.
    »Aber Kel wurde doch getötet ... oder zumindest habe ich das so gelesen.«
    Schwester Pelei nickte. »Ja, ganz recht. Er wurde verraten. Der Krieg neigte sich bereits dem Ende zu, und man verhandelte über einen Friedensplan, auf dessen Grundlage das heutige Talaria entstand. Doch ein Emissär der Familie Yena
wollte seinen Herrn rächen, den Kel getötet hatte, und vergiftete diesen im Schlaf. Nach seinem Tod beschloss Kels Bruder, der ihm nachfolgte, das Schwert den Göttern zu weihen. Und so gelangte es hierher.«
    Verbas Schwert. Solch einen Verbündeten bräuchte sie bei ihrer Flucht.
    »Genug geplaudert. Aufstellung!«, forderte Schwester Pelei sie auf, wobei sie zu einem Schwert aus dem Schrank griff.
    »Wieso das denn?«, fragte das Mädchen überrascht und schnappte die Waffe, die ihr die Lehrerin zugeworfen hatte. »Wollten wir heute nicht mit dem Luftkristall weitermachen?«
    »Das hat bis morgen Zeit. Ich denke, du hast Recht. Du hast dir eine Extratrainingsstunde verdient«, antwortete die Erzieherin mit einem komplizenhaften Lächeln und griff sofort an.

    Auch wenn die Unterrichtsstunden bei Schwester Pelei Talitha den Aufenthalt in diesem Gefängnis erleichterten und sie durchhalten ließen, quälte sie weiterhin der Gedanke an die Botschaft, die ihr Lebitha hinterlassen hatte. Talitha dachte unaufhörlich daran, las sie noch einmal, fuhr mit den Fingern über den Stein, auf dem sie stand, kam aber nicht dahinter, was sie bedeuten

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