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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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zu spät, dass sie in der Falle saß. Kora, die nun auch hinzukam, blickte die Freundin verwirrt an, aber ihr blieb nichts anderes übrig, als ihr gegenüber Platz zu nehmen.
    »Na, du Femtiten-Freundin, denkst du mal wieder über das Schicksal deiner Sklaven nach? Wegen meinen musst du dir übrigens keine Gedanken machen, die kriegen immer genug zu essen von mir«, sagte Grele.
    Ihre Kameradin lachte, aber Talitha schluckte die Gemeinheit hinunter und schwieg.
    Saiph trat mit einer vollen Schüssel in Händen auf sie zu. Genau in dem Moment, als er sich vorbeugte, um sie vor seiner Herrin auf den Tisch zu stellen, versetzte Fedira Talitha einen kleinen Stoß mit dem Ellbogen. Nur ein wenig kippte die zur Seite, aber weit genug, um Saiphs Arm zu berühren. Wie in einem Albtraum sah Talitha, wie ihm die Schüssel aus der Hand glitt und in Greles Schoß landete.
    Die kreischte und sprang auf. Es musste schmerzen, denn
der Schüsselinhalt – eine Bohnensuppe – dampfte. Sofort eilten einige aufgeschreckte Erzieherinnen herbei. Eine griff sich einen Krug und goss Wasser nach, um mögliche Verbrühungen zu lindern. Grele stand da und heulte.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Schwester Dorothea und versuchte, sie zu trösten.
    »Ach, dieser ungeschickte Sklave hat die ganze Suppe über mir verschüttet!«, jammerte Grele laut durch den Saal.
    Da sprang Talitha auf. »Er ist gestoßen worden. Er konnte nichts dafür.«
    »Ach was! Ich hab doch selbst gesehen, wie er mit Absicht die Schüssel geneigt hat«, mischte sich Fedira ein.
    Fassungslos ließ Talitha den Blick zwischen den beiden Mädchen hin und her wandern und schaute dann Saiph an. Die Hände gefaltet, stand er stumm mit gesenktem Kopf da.
    »Sag, dass es meine Schuld war, dass ich dich gestoßen habe!«, rief Talitha ihm zu.
    »Du hast ihn also gestoßen?«, fragte Schwester Dorothea.
    »Ja, aber nur weil Fedira mir einen Schubs gegeben hat.«
    »Ach, du willst doch nur deinen Sklaven in Schutz nehmen«, brauste diese auf. »Ich hab ganz still dagesessen.«
    Ein kaum bezähmbares Bedürfnis, ihr an den Hals zu gehen, überkam sie, und es kostete sie fast übermenschliche Kräfte, sich zu beherrschen.
    Wir sind bald so weit. Mach jetzt nicht alles kaputt ...
    »Es ist nur meine Schuld«, sagte sie schließlich, die Fäuste unter dem Tisch geballt. »Ich hab ihn absichtlich gestoßen.«
    »Aber Herrin, das ist doch nicht wahr«, widersprach Saiph.
    »Jetzt reicht’s aber!« Die Stimme kam von der Kleinen Mutter. Sie war auf ihrem Platz sitzen geblieben, hatte aber die Szene aufmerksam verfolgt. »Ich weiß nicht, was abscheulicher
ist: Eine Sklave, der eine Novizin verletzt, oder eine Herrin, die ihn auch noch in Schutz nimmt.«
    »Aber es war wirklich nicht seine Schuld!«
    »Ruhe!« Die Kleine Mutter ließ ihren zornigen Blick durch den Saal schweifen. »Der Sklave erhält fünf Hiebe mit dem Strafstock. Und du, Talitha aus Messe, bekommst zweimal die Freistunden gestrichen und kniest heute Abend in der Bank. Und jetzt geh auf dein Zimmer und denk darüber nach, was du angestellt hast.«
    Damit wandte sie sich wieder ihrer Schüssel zu und schlürfte langsam ihre Suppe weiter. Rasch taten es ihr alle nach, Priesterinnen und Novizinnen senkten ihre verlegenen Blicke und aßen weiter. Wie erstarrt saß Talitha da, während zwei Sklaven Saiph packten und hinausführten.
    »Hast du nicht gehört? Du sollst gehen!«, zischte Schwester Dorothea.
    Das Mädchen gehorchte. Während sie davonging, traf ihr Blick den von Grele. In deren Augen standen immer noch Tränen, aber Talitha erkannte auch, wie über ihre Leidensmiene ein triumphierendes Lächeln glitt.

    Die Bestrafung war öffentlich und fand vor den Abendgebeten an einer Brüstung über dem Abgrund statt.
    Normalerweise sah bei Bestrafungen nicht das gesamte Kloster zu, es sei denn, die Schuld wurde als besonders schwer angesehen. Und das war bei der Verletzung einer Novizin durch einen Sklaven der Fall.
    Talitha stand in der ersten Reihe. Eigentlich konnte sie es nicht ertragen, Saiph leiden zu sehen, und noch dazu musste sie miterleben, wie Grele ihren Triumph auskostete, aber sie
wusste auch, dass ihr Sklave sie brauchte. Und so versuchte sie, stark zu sein.
    Die Hände an einen Pfahl gebunden, kniete Saiph bereits in dem Kreis, den Priesterinnen und Novizinnen gebildet hatten. Hinter ihm stand eine Kombattantin, in der Rechten den Strafstock, der energiegeladen funkelte.
    Die Kleine Mutter kam hinzu

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