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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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Das hat sie mir selbst erzählt. Sie hat gerne studiert und geforscht, war intelligent, neugierig ... So hat sie die Wahrheit herausgefunden, und als sie andere ins Vertrauen zog und von ihren Erkenntnissen berichtete, hat man beschlossen, sie umzubringen. So muss es gewesen sein.«
    Saiph schüttelte den Kopf.
    »Doch, so war es. Glaub mir!« Talitha schlug mit der flachen Hand auf das Buch. »Deswegen wurde sie getötet! Weil sie herausgefunden hast, dass die Fundamente unseres Glaubens auf Sand gebaut sind, weil sie erkannt hat, dass sich
nicht Miraval Cetus einverleiben wird, sondern genau das Gegenteil bereits geschieht.«
    »Das glaube ich einfach nicht«, sagte Saiph bestimmt.
    »Aber Saiph ...«
    »Meine Religion ist anders als deine, doch die Gestirne am Himmel ... die sind für uns alle heilig, für euch Talariten wie für uns Femtiten! Was du da gelesen hast, ist eine Gotteslästerung.«
    »Das ist keine Gotteslästerung! Das passiert tatsächlich.«
    »Die Priesterinnen sind da anderer Meinung«, sagte Saiph ruhig.
    »Natürlich. Sie wollen die Wahrheit verbergen, sie leugnen sie einfach, weil sie irgendeiner unsinnigen Grundlage ihres Glaubens widerspricht! Dafür werden Leute verbrannt.«
    Saiph seufzte. »Und warum, glaubst du, wollte Lebitha, dass du von all dem erfährst?«
    »Keine Ahnung. Aber vielleicht...« Sie biss sich auf die Lippen. »Los, wir müssen das dritte Buch finden.«
    So machten sie sich wieder auf die Suche.
    Die Anspannung zog Talitha den Magen zusammen. Wie alle Talariten und Femtiten hatte sie den Himmel immer als ein Mysterium betrachtet, das nicht verletzt werden durfte, aber ebenso auch als einen segensreichen Ort, von dem aus Mira, durch ihr Abbild Miraval, ihre Geschöpfe beobachtete und beschützte. Das stimmte nicht mehr. Was sie da gelesen hatte, änderte alles. Über ihren Köpfen spielte sich etwas Entsetzliches ab, das bereits begonnen hatte, das Leben aller zu verändern: die Trockenheit, die Not, die Überschwemmungen im Reich des Frühlings und die dadurch bedingten Sklavenaufstände...

    Kündigte sich damit der Weltuntergang an, weil der Verderben bringende Cetus die Oberhand gewinnen würde?
    »Da haben wir es ja.«
    Talitha setzte sich neben Saiph, und zusammen begannen sie, das Buch durchzublättern. Es war ein dicker Wälzer, der die Verhörprotokolle verschiedener Gefangener enthielt, die im Kerker von Alepha, einer Stadt im Reich des Herbstes, eingesessen hatten. In der Mehrzahl waren es Personen, die wegen Ketzerei oder ähnlicher Delikte, die mit religiösen Dingen in Zusammenhang standen, angeklagt waren. Obwohl noch gar nicht so alt, sah das Buch sehr mitgenommen aus: Die Schrift war teilweise verwischt, so als sei Wasser darüber gelaufen, einige Seiten klebten zusammen, andere waren angesengt, manche fehlten ganz. Irgendwann stießen sie auf etwas, das sie aufhorchen ließ.
     
    Name: der Gefangene weigert sich, Angaben zur Person zu machen.
    Rasse: unbekannt.

    »Was soll das heißen ›Rasse unbekannt‹? Man ist doch entweder Femtit oder Talarit.«
    »Vielleicht ein Halbblut«, sagte Saiph.
    »Dann würde es da stehen. Bei den anderen war es so.«
    Sie lasen weiter.
     
    Ankläger: Wie willst du in der Wüste überlebt haben?
    Angeklagter: Das konnte ich eben.
    Ankläger: Du hast meine Frage nicht beantwortet.
    Angeklagter: (lacht)

    Ankläger: Seit wann hieltest du dich in der Wüste auf?
    Angeklagter: Schon immer.
    Ankläger: Mach dich nicht über diese Versammlung lustig!
    Angeklagter: Das tue ich ja gar nicht. Ihr habt bloß nicht die leiseste vorstellung davon, was ich schon alles gesehen, wie viele Leben ich bereits gelebt habe. Mit eigenen Augen habe ich sie gesehen, die Stadt in der Wüste, und die beiden Sonnen, als sie noch im Gleichgewicht waren, und dann auch, wie sie sich im gleißenden Licht auflösten.
    Ankläger: Was weißt du schon von Miraval und Cetus!
    Angeklagter: Ach, so nennt ihr sie heute. Für mich sind es lediglich zwei Himmelskörper.
    Ankläger: Du versündigst dich!
    Angeklagter: Nein, aber ihr versteht nicht, dass bereits etwas geschieht, das größer ist als ihr. Etwas, das ihr nicht fassen, ja euch noch nicht einmal vorstellen könnt. Aber ich war schon da, als es das letzte Mal geschah, und ich habe es überlebt.

    Sie schlugen die Seite um, aber nun folgte ein neues Verhör mit einem anderen Ketzer. Talitha blätterte zurück, las noch einmal, was da stand, und tippte dann mit dem Zeigefinger auf die

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