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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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nahm sie nicht weg.
    »Danke«, flüsterte sie. »Danke, Gunnar. Dass Nashville auch hier sein kann. Er versteht sich wirklich mit den Zwillingen. Es ist ein perfekter Tag.«
    Er sagte nichts, stand nur da, mit ihrer Hand an seiner Wange. Dann drehte er sich um und ging zurück zu den Stimmen und dem Lachen. Sie folgte ihm langsam. In der Luft lag Klaviermusik und der Duft nach Essen.
    Als die Zwillinge auftauchten, sahen sie ein wenig verwildert aus. Aber ihre Augen strahlten. Das Lächeln ihrer Mutter war sehr reserviert.
    »Danke«, sagte Julietta. »Danke, Svenja. Dass du gekommen bist und den Jungen mitgebracht hast. Das ist ein perfekter Tag.«
    Ich glaube, ich hätte eben beinahe deinen Verlobten geküsst. Ich habe es nicht getan, aber denk nichts zu Gutes von mir.
    Nashville stand auf einmal neben Svenja, und sie drückte ihn kurz an sich. Seine Augen strahlten ähnlich wie die der Zwillinge.
    »Das da am Klavier ist übrigens Hermann, ein Sohn von Freunden«, sagte Julietta, hakte Svenja unter wie eine alte Freundin und führte sie zum Klavier hinüber. Es stand draußen im Gras, dekoriert mit zwei ruhig flammenden Kerzen. »Dass er heute Abend für mich spielt, ist sein Geschenk«, erklärte Julietta. »Ist das nicht nett? Hermann, das ist Nashville, sozusagen auch ein Sohn von einer Freundin …«
    Hermann war mit dem letzten Stück fertig, stand auf und starrte Nashville an. Er war vielleicht dreizehn oder vierzehn, hatte sehr gekämmtes Haar und trug eine makellos saubere schwarze
Bench
-Jacke. Sein Gesicht war das eines Jungen in der Pubertät, also eigentlich kein Gesicht, sondern mehr eine Maske der Langeweile. Svenja dachte:
Dicky. Das Kind bei Loriot
.
    Moment, dachte Svenja. Sie kannte diesen Jungen. Sie versuchte, ihn im schummrigen Kerzenlicht einer Erinnerung zuzuordnen.
    Nashville trat einen Schritt zurück und drückte sich gegen ihre Beine wie ein Hund.
    Und da wusste Svenja, woher sie Hermann kannte. Sie war ihm zweimal begegnet: im Hof der Burg Hohenentringen und hinter der Schule im Anlagenpark. Hermann war der, der den anderen im Burghof befohlen hatte, Nashville festzuhalten. Und er war vermutlich der, der dafür gesorgt hatte, dass Nashville für seinen Diebstahl an Svenjas Geburtstag bestraft wurde.
    Hermann stand sehr gerade, aber man sah, dass er ebenfalls plötzlich Angst hatte.
    Svenjas Hände schmerzten. Sie merkte, dass sie sie zu Fäusten geballt hatte. Sie sah wieder vor sich, wie sie Nashville im Haus Nummer drei gefunden und zum Arzt geschleift hatten. Sie sah wieder das Gesicht des jungen Arztes.
    Das sieht ja scheiße aus …
    »Hermann wird mal Pianist.« Julietta lächelte. »Schau, er hat die richtigen Hände …«
    »Er hat auch die richtigen Hände, um kleinere Jungen zu verprügeln«, sagte Svenja.
    Hermann lachte verlegen. »Ich weiß nicht, wovon sie redet …«
    Julietta sah verwirrt aus, aber sie kam nicht dazu, eine Erklärung zu verlangen, denn in diesem Moment tauchte ihr Vater auf, gefolgt von den Zwillingen. Er trug ein Tablett mit Gläsern.
    »Jetzt fängt der lustige Teil des Abends an«, sagte er. »Die Jungs von der Verbindung haben sich in der Küche die Finger wund geschnitten an Limetten und die Hälfte des ewigen Eises gecrusht. Das war
mein
Wunsch, nicht Juliettas. So, jetzt gibt es Caipirinha für alle. Wo ich schon beim Maigrillen oben auf den Wiesen dieses Jahr krank war …« Er stellte das Tablett aufs Klavier, nahm ein Glas und reichte das zweite Julietta.
    »Hey«, sagte er dann, an Hermann und Nashville gewandt »Die Gläser mit den roten Fähnchen sind für die Kinder. Da ist kein Alkohol drin, nur Limetten und Zucker und Eis …«
    Hermann nickte, und sobald Juliettas Vater wegsah, nahm er sich ein Glas, in dem kein rotes Fähnchen steckte. Julietta gab den kichernden Zwillingen Gläser mit Fähnchen. Sie hielt auch Nashville eines hin. Er sah sehr plötzlich sehr blass aus.
    »Prost!«, rief Juliettas Vater. »Auf meine wunderbare, einmalige Tochter!«
    Svenja hob ihr Glas, Julietta hob ihr Glas, Hermann hob sein Glas, die Zwillinge hoben ihre Gläser.
    Nashville hob sein Glas.
    Er hob es, als kostete es ihn unglaubliche Anstrengung. Dann führte er es zum Mund. Aber auf dem Weg dorthin zerbrach das Glas in seiner Hand. Er hatte es so fest umklammert, dass es gesplittert war. Ein Teil der Scherben fiel ins Gras, einen Teil behielt Nashville in der Faust, die er jetzt noch fester ballte. Svenja sah Blut aus seiner Hand laufen und zu

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