Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)
man nicht arbeiten.«
Als sie in dieser Nacht von der Unterführung an der Bahnbrücke zurückkamen und Gunnar sich schlafen gelegt hatte, ging Svenja ins Bad, zog sich aus und stellte sich vor den Spiegel.
»Was ziehst du an?«, flüsterte sie ihrem nackten Körper zu. »Was ziehst du an, um fein genug zu sein? Du könntest etwas kaufen. Aber was?«
Ihr nackter Körper im Spiegel sah unbeholfen und jung aus. Sie würde niemals so werden wie Julietta, nie. Jemand atmete, ganz nah, und sie drehte sich um. Hinter dem Türspalt stand ein Beobachter. Sie machte die Tür ganz auf.
»Nashville. Was soll das?«
Seine dunklen Augen starrten nur, stumm.
»Ich versuche herauszufinden, was ich morgen anziehen soll …« Sie zuckte die Schultern, lachte über sich selbst und über die Situation, um ihren leisen Ärger zu verbergen. »Warum bist du mitten in der Nacht wach? Warum stehst du da und starrst?«
Er schien nach den richtigen Worten zu suchen und fand sie eine Weile nicht. »Das weißt du doch«, sagte er schließlich. Dann drehte er sich um und schloss die Badezimmertür. Sie sammelte ihre Sachen ein. Es war letztlich egal, was sie anzog.
In das violette Hemd waren keine Messer mehr gewickelt. Nicht ein einziges.
Das Gartenfest sollte um fünf Uhr beginnen.
Um kurz nach vier saß Svenja auf der Terrasse und bürstete ihr Haar mit einer Mischung aus Ungeduld und Resignation und einer Bürste. Ihr Haar war gewachsen, aber das hatte nur dazu geführt, dass es jetzt keinerlei Frisur mehr besaß. Nashville hockte auf der blauen Bank, spielte zusammenhanglose Akkorde und sah ihr zu. »Es ist golden«, sagte er. »Dein Haar.«
»Nein«, sagte Svenja. »Es ist straßenköterblond.«
»Golden«, sagte Nashville. »Hallo, Katleen.«
Svenja fuhr zusammen und ließ die Bürste fallen. Tatsächlich, Katleen stand neben der Terrasse. Sie kam die Stufen herauf, setzte sich neben Nashville und sah Svenja an. Mehr nicht, sie saß nur da und sah sie an, schweigend. Svenja hob die Bürste auf.
»Ich dachte schon, es gäbe dich nicht mehr …«
»Sieht so aus, als hättest du dich geirrt«, erwiderte Katleen.
»Ich dachte, du wärst sauer. Ich war bei dir, und du hast nicht aufgemacht …«
Katleen fuhr sich durch das kurze Teddybärhaar. »Oh, ich war sauer. Ich habe dich angerufen, vom Wehr aus, wegen dieses Jungen, und du hast dich hinterher nicht mal gemeldet … egal.« Sie schüttelte den Kopf. »Und jetzt, sagt Kater Carlo, wohnst du bei deinem HNO -Arzt, hm? Gunnar Holzen.« Sie sprach den Namen aus wie etwas Obszönes. »Du bist ziemlich gut darin, immer bei dem zu wohnen, den du gerade brauchst. Bei mir. Bei Friedel. Bei Holzen.«
»Ich habe zwischendurch … nicht gewohnt«, sagte Svenja zögernd. »Falls dich das befriedigt. Ich habe eine ganze Woche überhaupt nicht gewohnt … Holzen hat mich aufgesammelt. Uns. Und es sieht aus, als müssten wir gleich los zu einer völlig irrsinnigen Geburtstagsfeier in einem irrsinnig wertvollen Haus. Gunnars Verlobte feiert. Warum bist du gekommen?«
Katleen streichelte wieder ihr schwarzes Haar. »Es ist schon okay, bei dem zu wohnen, der einem am meisten nützt«, sagte sie und seufzte. »Ich kann sowieso nicht lange sauer sein. Wenn du irgendwann Hilfe brauchst, Svenja … melde dich. Du kannst zurückkommen. Wir können wieder ein Bett unter dem Tisch machen. Falls das mit Gunnar nicht mehr funktioniert.«
»Das ist nett von dir«, sagte Svenja und lächelte. »Aber du bist doch nicht gekommen, um mir das zu sagen.
Warum bist du hier?
«
Katleen stand auf, streckte eine Hand aus und vergrub sie für Sekunden in Svenjas Haar. Ihr Blick war beinahe der gleiche, den Nashville nachts gehabt hatte, in der Badezimmertür.
»Das weißt du doch«, sagte sie, drehte sich um und ging.
17 Keller
Der Garten war geschmückt wie ein Juwelenkästchen voller Schmetterlinge. Julietta stand als ruhiges, sanftes Zentrum mitten darin und war so schön, dass Svenja nach Luft schnappte. Sie trug ein Kleid von der Farbe des Himmels direkt vor einem Gewitter, und um ihren Hals glitzerten tausend Tautropfen, eingefangen von einem Magier und in Silber gefasst. Sie drückte Svenjas Hände und lächelte.
»Schön, dass du da bist«, sagte sie. »Hast du deinen Sohn mitgebracht? N… Nashville?«
Svenja nickte und schob Nashville vor, und Julietta nahm auch Nashvilles Hände für einen Moment in die ihren. Svenja sah, wie sehr ihn das irritierte, und hoffte mit aller
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